Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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18JUN2022
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In der Mitte unserer Milchstraße befindet sich ein schwarzes Loch. Astronomen haben vor kurzem Bilder dazu veröffentlicht. Auf denen sieht man einen gleißend hellen Lichtkranz und in der Mitte eben - etwas Dunkles, ein Loch. Wobei der Begriff Loch eigentlich gar nicht passt und schwarz ist da in Wirklichkeit auch nichts. Da ist einfach: Nichts, das man sehen oder zeigen könnte. Außer, dass das Loch unvorstellbar große Mengen an Masse und Material anzieht und verschlingt: vom Sternenstaub bis hin zu ganzen Sonnen. Ein riesiger Abgrund.

So sehr mich diese Vorstellung fasziniert, so sehr beunruhigt sie mich auch. Dass wir da hineingezogen werden könnten, die Erde und die anderen Planeten, die um die Sonne kreisen. Unser Sonnensystem ist für uns so groß, dass es unsere Vorstellungskraft bei weitem übersteigt. Aber im Vergleich mit der Milchstraße, unserer Galaxie, ist es so winzig, dass sein Verschwinden gar nicht auffallen würde. Mit unserem Sonnensystem unsere Erde, die ganze Menschheit und eben auch ich - ein Staubkorn, das keiner sieht und das weggewischt wird. Bedeutungslos. Ahnungslos.

Und doch glauben die, die an Gott glauben, dass alles seinem Plan folgt und einen Sinn ergibt. Dass kein Menschenleben umsonst ist und im weiten Kosmos alles zusammenhängt. Diesen Spagat auszuhalten, das empfinde ich als eine enorme Herausforderung. Ich bin bedeutungslos. Und gleichzeitig: Ich bin einmalig und deshalb wertvoll. Wie damit umgehen?

Im Zentrum unserer Galaxie ist ein Abgrund. Hinzuschauen, das könnte helfen, demütig zu bleiben. Nichts auf Erden ist vollkommen, nichts für die Ewigkeit. Ich bin einer unter vielen, kann jederzeit ersetzt werden. Ich sollte mich nicht zu wichtig nehmen. Dann aber auch zu realisieren: Es sind wir Menschen, die diesen Abgrund entdeckt haben und immer weiter daran arbeiten, besser zu verstehen: wie die Welt ist, wo unsere Grenzen sind und welchen Platz wir im Kosmos haben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35540
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