SWR2 Wort zum Tag

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04JUN2022
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Seit Januar habe ich ein Rudergerät. Darauf kann man zuhause im Wohnzimmer rudern. Ich liebe das. Es entspannt mich, wenn ich ärgerlich bin, oder ich kriege neue Energie, wenn Müdigkeit sich breit macht. Die gleichmäßige Bewegung, der angenehme Widerstand und das Rauschen des Wassers im Tank zusammengenommen machen, dass ich mich wohlfühle.

Viel schöner ist es noch, bei gutem Wetter draußen zu rudern. Gerne schaue ich den Ruderern auf dem Neckar zu. Manchmal fühle ich mich ihnen tief verbunden, manchmal bin ich geradezu neidisch, weil ich dazu gerade nicht komme.

Das Besondere bei dem Sport ist für mich, dass er mich auf vielerlei Weise in Verbindungen bringt. Mit Dem Wasser, durch das das Boot gleitet, mit der Natur um mich her, mit den Menschen, die mit mir sprichwörtlich in einem Boot sitzen. Während ich in meinem Alltag oft eine Leitungsposition innehabe, genieße ich es, wenn ich nicht vorne, also: „auf Schlag“ sitze. Beim Rudern kann ich mich einklinken in eine Bewegung, die andere vor und hinter mir auch ausüben. Einmal nicht denken müssen; sondern Teil eines Ganzen sein.

Vom Wasser aus sieht die Welt auch anders aus. Auf Augenhöhe mit Schwänen und Gänsen, weit unterhalb von Fahrradwegen und Straßen ergeben sich neue Perspektiven, andere Blickwinkel.

Für mich passt das Ruderboot zu Pfingsten – dem Fest des Heiligen Geistes. Von diesem Geist, der – wie es im Römerbrief heißt – lebendig und frei macht, wird für mich beim Rudern manchmal etwas spürbar: Oft komme ich dabei mehr zu mir selbst und damit auch näher zu Gott. Ich erlebe mich als Teil der Schöpfung, sowohl mit der Natur als auch mit den Menschen auf eine gute Weise verbunden. Ich spüre meine Kraft – die zwar angewiesen ist auf andere und abhängig von ihnen, aber ich selbst kann etwas tun, bewegen und bewirken. Widerstände sind beim Rudern kein Problem – im Gegenteil, sie sind nötig, damit sich etwas entwickeln kann, damit es voran geht. Zurück am Ufer bleibt oft noch ein Gefühl dafür, dass ein anderer Blickwinkel auf meinen Alltag und auf die Welt möglich ist. Ein Sport, bei dem ich mich als frei und lebendig erlebe – das kommt mir deshalb geradezu pfingstlich vor. Dem Heiligen Geist Raum zu geben – damit er spürbar und lebendig werden kann, das nehme ich mir vor. Also doch: Runter vom Rudergerät und raus aufs Wasser und ins Leben!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35515
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