SWR2 Wort zum Tag

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02JUN2022
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Pausengespräch in der Grundschule: „Der liebe Gott soll endlich eine Bombe auf Putin werfen!“, sagt der kleine Junge vor mir. Ich: „Der liebe Gott wirft keine Bomben.“ Er, nicht auf den Kopf gefallen: „Ja, aber im Vaterunser heißt es doch: „und erlöse uns von den Bösen“. „Von dem Bösen“, sage ich. „Er erlöst uns nicht von bösen Menschen.“ Mein Gegenüber ist unzufrieden und enttäuscht: „ja, aber dann hilft er uns ja gar nicht.“

Und erlöse uns von den Bösen. Ich erinnere mich, dass ich lange demselben Hörfehler erlegen bin. Auch ich fand, dass Gott uns von diesem oder jenem schlechten Menschen befreien soll. Dann wäre alles einfacher.

Aber einfach ist es nicht. Das Böse im Menschen. Gerade begegnet es uns auf Schritt und Tritt. In jeder Nachrichtensendung. Und die Angst ist groß, es könne überhandnehmen und unser Leben bedrohen. Ganz leicht werden einzelnen Personen nicht nur bösartige Absichten unterstellt, sie werden selbst zum Bösen gemacht, während man selbst sich auf der Seite der Guten wähnt. Da ist Putin als Feindbild. Aber da sind auch hasserfüllte Angriffe auf Politiker von Leuten, die sich gegen Waffenlieferungen einsetzen.

Ich frage mich, was wir selbst dafür tun können, dass das Böse seine Macht verliert. Vielleicht zuerst einmal: darüber sprechen. Dinge, die wir benennen können, machen nicht mehr so viel Angst und wirken nicht mehr so unberechenbar. Vielleicht öffnet sich das Gespräch dann auch für das Böse, das in uns selber steckt. Was auf der weltweiten politischen Bühne passiert, hat ja oft auch seine Entsprechungen im Alltag: Wie entsetzlich kann der Zwist zwischen Nachbarn sein, wie zerstörerisch der dauerhaft schwelende Konflikt am Küchentisch.

Ein Raum, in dem ich mich dem stellen kann, ist das Gebet. Letztlich ist das nichts anderes als Gott davon zu erzählen, was gerade los ist. Dazu gehört auch darüber zu sprechen, wenn ich dem Bösen in mir selber auf die Spur komme. Das ist nicht leicht. Aber Gott verurteilt mich dafür nicht – im Gegenteil: Er nimmt mich an, wie ich nun einmal bin. Und er traut er mir zu, dass ich selbst etwas ändern kann: Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem, heißt es ja auch: Das Böse in mir und dir.

Im Gespräch mit dem kleinen Jungen hatte ich spontan keine gute Antwort. Beim nächsten Mal würde ich ihm sagen: Doch, Gott hilft uns. Nicht mit Bomben. Sondern indem er uns zutraut, dem Bösen etwas entgegenzusetzen: das Gute in uns, dass wir einander helfen und füreinander einstehen. Ich glaube, das will er von uns.

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