SWR2 Wort zum Tag

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28MAI2022
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Mein wichtigster Katholikentag war der vor vierzig Jahren, 1982; in Düsseldorf damals waren wir mit unserem gut einjährigen Johannes dabei – in Gottesdiensten und beim Fest, in einigen von den großen Podien. Vor allem aber bei der riesigen Friedens-Demo, veranstaltet unter anderen von der IKvu, der Initiative Kirche von unten. „Kehrt um. Entrüstet euch“ war der „ Schlachtruf“ der vielen eher jungen und eher linkeren Christinnen und Christen, die da über den Rhein zogen und Frieden forderten. Und noch ein paar andere Erwartungen an ihre Kirche, die heute noch ganz ähnlich klingen: manche innerkirchliche Fragen sind leider immer noch aktuell.

Bei der Friedensfrage, habe ich den Eindruck, ist die katholische Kirche inzwischen anders aufgestellt. In Düsseldorf damals hatte sie sich offiziell noch ziemlich geschlossen auf der Linie von SPD-Regierung und CDU-Opposition bewegt. „Wir lassen uns das Thema Frieden nicht aufdrängen.“ hieß es von oben; und „… unverzichtbar, an der nuklearen Abschreckung festzuhalten.“ Das klingt heute anders – gerade Putins verbales Gefummel am „roten Knopf“ lässt mindestens viele neu nachdenken, ob das mit der gegenseitigen Atomwaffen-Drohung eine gute Idee war.

Aber auch der Ruf „Kehrt um“ dürfte heute, beim Katholikentag in Stuttgart, ohne das „Entrüstet euch“ daherkommen. Auch die eher Friedensbewegten von damals fühlen sich angesichts der Kriegsverbrechen gegen die Ukraine und ihre Menschen gedrängt,der angegriffenen Seite beizustehen – auch mit Rüstung statt mit Entrüstung oder gar „ergebt euch“-Rufen. Weil nämlich eine wesentliche Hoffnung pulverisiert scheint. Handel und Gespräche, gegenseitige Anerkennung und Entgegenkommen sollten Frieden herstellen. Aber mit Präsident Wladimir Putin und seinen hardliner-Leuten ist das offensichtlich aussichtslos.

Gewalt ist keine Lösung – klar. Aber im Moment scheint keine Gewalt auch keine zu sein. Es ist ein Dilemma – gerade auch für Christenmenschen; es zerreißt mich fast – wo ich doch bei Jesus und der Bergpredigt bleiben will. Liebet eure Nächsten, gilt weiterhin – und eure Feinde. Aber wer die Unterdrückten und Bedrohten wirklich liebt, jetzt gerade Frauen, Kinder, alte und junge Männer in der Ukraine… wer sie wirklich liebt, fordert auch deswegen, den Aggressor zu stoppen – im Zweifel leider auch mit zusätzlichen Waffen. Wer Putin und seine Leute achtet oder gar liebt, will sie ja am liebsten abbringen von ihrem üblen verbrecherischen Weg.

Das werden beim Katholikentag viele auch verlangen und darum beten, bei Kundgebungen und Gottesdiensten und beim Schlussgottesdienst morgen am Stuttgarter Schlossplatz.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35471
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