Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

19MAI2022
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Ich mag es, wenn Dinge Sinn ergeben. Wenn etwas ganz anders gelaufen ist als geplant und ich dann hinterher denke: „Das war gerade gut so.“ Ich ‚sinniere‘ gerne darüber, was in meinem Leben los ist. Das ändert nicht, was geschehen ist, aber manchmal ordnen sich dabei die Dinge neu, und ich kann besser akzeptieren, was war.

Aber manchmal passieren Sachen, die machen einfach keinen Sinn. Der nervige Blechschaden, nur weil ich einmal kurz nicht aufmerksam war. Oder der komplizierte Bänderriss, dabei ist die Nachbarin nur vom Bordstein gestolpert.

Natürlich gibt es auch Dinge, die sind noch auf ganz anderer Ebene sinnlos. Dieser unsägliche Krieg, der macht überhaupt keinen Sinn. Und auch im persönlichen Bereich: wenn eine Partnerschaft zerbricht, wenn jemand plötzlich schwer krank wird oder wenn ein geliebter Mensch stirbt. Als Außenstehende fühle ich mich in solchen Momenten oft hilflos.

Das erinnert mich an Hiob und seine Geschichte, wie sie in der Bibel steht. Hiob erlebt einen schlimmen Schicksalsschlag nach dem anderen, und die Leute um ihn herum reagieren allesamt nicht besonders geschickt. Seine Frau ist verzweifelt und kann nicht verstehen, warum Hiob noch an Gott glaubt. Dann seine Freunde: sie schieben Hiob auch noch die Schuld für das ganze Elend zu und geben ihm jede Menge Ratschläge, die er überhaupt nicht gebrauchen kann. Und ein anderer Freund will ihm zu allem Übel auch noch den Sinn seines Leidens erklären. Für Hiob sind alle diese Reaktionen kein bisschen hilfreich. Aber Hiob macht das, was er in dem Moment braucht: er klagt in seinem Schmerz Gott an und sagt so viel wie: „He, Gott, das macht jetzt alles aber gar keinen Sinn. Was soll das?“

Hiob hält an Gott fest und entlässt ihn trotzdem nicht aus der Verantwortung. Auch wenn Gott nicht so antwortet, wie Hiob sich das vielleicht gewünscht hat. Mir zeigt diese Geschichte von Hiob: 

Es muss im Leben nicht alles Sinn ergeben. Es wäre zynisch und rücksichtslos, das zu sagen. Die sinnlosen Situationen, die kann ich einfach nur überstehen. Ich muss nicht auch noch einen Sinn darin sehen.

Wenn ich aber Sinnloses erleben muss, kann es helfen, wenn vertraute Menschen einfach ‚nur‘ da sind und das Ganze mit aushalten. Das kann Sinn machen, weil ich mich dann womöglich getragen fühle. Und vielleicht erschließt sich mir durch diese Unterstützung so manches Sinnlose mit der Zeit doch noch.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35426
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