Anstöße sonn- und feiertags

Anstöße sonn- und feiertags

15MAI2022
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Es gibt einen Campingplatz, den liebe ich. Er liegt an einem kleinen Ort am Bodensee, direkt neben dem Strandbad am See. Tagsüber ist dort viel los. Aber nachts, wenn alles still ist, kann man die Blesshühner und Enten hören, und alles duftet nach Seeluft.

Im Sommer gibt es auf diesem schönen Fleckchen Erde eine Campingkirche, und die ist für mich das absolute Highlight. Die Kirche ist ein großes offenes Zelt mit Bierbänken und Gartenstühlen, die im Halbkreis aufgestellt sind. Am Eingang gibt es Bücher und Malsachen für Kinder, und sonntags zum Gottesdienst kommen die unterschiedlichsten Leute: Urlauber vom Campingplatz, Besucherinnen aus dem Strandbad nebenan oder Radfahrer, die gerade zufällig vorbeikommen. Eine bunt zusammengewürfelte Gruppe, die da mitten auf dem Campingplatz zusammen Gottesdienst feiert. Ich mag es, in dieser bunten Menge zu sitzen und mich umzuschauen. Manchmal entdecke ich dann jemanden, hinter dem ich am Tag vorher in der Schlange am Kiosk gestanden bin oder die ich im Strandbad schon öfter gesehen habe. Zum Beispiel einen Biker mit langen weißen Haaren. Oder das Pärchen, er mit Laptop am Schreiben, sie vertieft in einen dicken Roman.

So ähnlich muss es gewesen sein, als Jesus damals zum Beispiel auf einem Berg gepredigt hat, über die Friedfertigen und die Armen. Ich kann mir gut vorstellen, wie da auch eine bunt zusammengewürfelte Menge gesessen hat und wie mit der Zeit eine Gemeinschaft daraus geworden ist. Eine, in der sich viele oder vielleicht sogar alle wohlgefühlt haben.

So ein Gefühl kann man auch beim Stadtlauf erleben, wenn Hunderte an den Start gehen, die vorher alle auf diesen Tag hin trainiert haben. Oder ganz spontan in einer Kneipe, wenn eine tolle Band spielt und alle bleiben, bis die letzte Zugabe gespielt ist. Dann entsteht zwischen so vielen, die sich eigentlich gar nicht kennen, ein gutes und friedliches Gemeinschaftsgefühl.

So stelle ich es mir vor, wenn Jesus auf viele Leute getroffen ist und sie alle ihn erlebt haben, wie er zu ihnen gesprochen und gehandelt hat. Dann ist da vermutlich auch schnell eine besondere Gemeinschaft entstanden. Das war nicht immer konfliktfrei, aber doch so, dass Jesus diese Gruppen im Guten geprägt hat. 

Ein schönes und vor allem friedliches Gemeinschaftserlebnis kann mich noch eine ganze Weile danach weiter tragen. Vielleicht hat Jesus das auch gemeint, als er gesagt hat: „Wenn zwei oder drei in meinem Namen zusammen sind, dann bin ich mittendrin statt nur dabei.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35422
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