SWR2 Wort zum Tag

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07MAI2022
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„Alles, was wir tun, kann nur klein sein. Alles, was Gott tut, ist groß“. Diese beiden Sätze gefallen mir. Sie machen mich frei. Frei davon, mein eigenes Tun heute zu überschätzen. Denn „alles, was wir tun, kann nur klein sein. Alles, was Gott tut, ist groß.“

Die Sätze stammen von einer Frau, die selbst Großes getan hat. Gerade, weil sie sich dem Kleinen gewidmet hat, den kleinen Leuten. Madeleine Delbrel heißt sie. Sie wächst in den 1920er Jahren in einer sehr bürgerlichen Familie in Paris auf. Schon mit 16 Jahren studiert sie Geschichte und Literatur an der Sorbonne, der berühmtesten Universität Frankreichs. Alles deutet darauf hin, dass sie einmal Professorin hätte werden können.

Doch dann verändert sich ihr Leben radikal. Ihre Familie hat keine innere Bindung ans Christentum. Aber ihr erscheint auf einmal – Gott. „Ich bin von Gott überwältigt worden und bin es immer noch“, sagt sie. Sie ist davon überzeugt, dass sie diesem Gott gerade im Alltag begegnet. Und bei Menschen, die nicht viel von ihm wissen. Daher lässt sie sich zur Sozialarbeiterin ausbilden. Und sie macht etwas, was für die damalige Zeit ganz ungewöhnlich ist: Sie lebt mit zwei anderen, gleichgesinnten Frauen in einer WG, und das noch dazu in Ivry, einem armen Arbeitervorort in Paris. Dort hilft sie den Menschen in ihrer ganz konkreten Not.

Und sie schreibt faszinierende Texte. Nach ihrem Tod werden sie veröffentlicht und berühren viele Menschen, bis heute. Denn ihr Leben bei den einfachen Menschen und ihr Leben mit Gott verbindet sich in ihren Texten auf einzigartige Weise.

So schreibt sie: „Wir denken, dass, wenn wir für Gott ganz kleine Dinge tun, wir ihn ebenso lieben wie mit großen Aktionen. Übrigens wissen wir sowieso nicht, wie wir unsere Taten vor Gott messen sollen. Wir wissen bloß zweierlei: Alles, was wir tun, kann nur klein sein. Alles, was Gott tut, ist groß.“

Diese Sätze machen mich fröhlich und frei. Frei davon, mein eigenes Tun heute zu überschätzen. Denn egal, für wie wichtig ich mich und mein Tun halte – angesichts der Größe Gottes ist es klein. Das entlastet mich davon, mir zu viel zuzumuten. Aber diese Sätze machen mich auch frei dazu, mich einer Sache heute ganz zu widmen. Einem Menschen, der meinen Rat braucht. Oder der in Not ist. Denn vielleicht wirkt Gott heute ja seine ganz große Sache gerade durch meine kleine Tat hindurch.  

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35361
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