SWR2 Wort zum Tag

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10MAI2022
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„Hausapotheke der Menschheit“ - so hat der Dichter Heinrich Heine die Bibel genannt. Recht hat er. Ich lese gern in der Bibel, und das nicht weil ich Pfarrer und Theologe bin. Denn da gibt es spannende Geschichten, angefangen bei Kain und  Abel, und  es gibt aktuelle Sinnsprüche in Menge – wirklich gute Medikamente  und Vitaminpräparate.

Nehmen wir nur folgende Worte aus dieser Apotheke: „Zwei sind besser als einer allein…Denn wenn sie fallen, richtet einer den anderen auf…Wenn zwei zusammen schlafen, wärmt einer den anderen; einer allein - wie soll der warm werden? Und wenn jemand einen Einzelnen auch überwältigt, zwei sind ihm gewachsen und eine dreifache Schnur reißt nicht so schnell.“ (Kohelet 4,10ff) Für solch realistische Worte liebe ich die Bibel, da wird nicht fromm herumgeredet; es geht lebensnah zu und immer mit dem Interesse, Leben zu fördern und Orientierung zu geben.

Wer wüsste nicht, dass Alleinsein und sogar Vereinsamung ein Problem geworden sind?  Manche kennen nicht einmal ihre Nachbarn im Hause und gehen aneinander vorbei. Groß ist die Gefahr, dass wir menschliche Beziehungen vernachlässigen und sogar Freundschaften nicht richtig pflegen. Ja, und der Schmerz des Alleinseins bei denen, die niemanden mehr haben.  Und denen die Kraft und der Mut fehlt, auf andere zuzugehen und sich bedürftig zu zeigen.  Die Bibel hat Recht: es ist nicht gut für uns Menschen, allein zu sein.

Unser kleiner Bibeltext ist also eine Ermutigung, Beziehungen zu anderen Menschen hochzuschätzen und sich zusammen zu tun. Erstaunlich dabei, dass in diesen Bibelversen das Wort „Gott“ gar nicht vorkommt. Ganz elementar geht es um das alltägliche Leben: um Partnerschaft und Sexualität, um Zärtlichkeit und Hilfe, eben um die Kunst, mit- und füreinander da zu sein und davon wechselseitig zu profitieren. Von Gott ist ausdrücklich wohl deshalb nicht die Rede, weil er mittendrin ist. Und selbst, wenn wir wirklich ganz allein sein sollten, gibt es deshalb ein Geheimrezept der besonderen Art: das Gebet. „Du bist mein Atem, wenn ich zu dir bete“. Wer sich derart auf Gott verlässt, ist nicht mehr allein. So sehr andere Menschen willkommen sind – wer bräuchte sie nicht – an „Gottes Segen ist alles gelegen“. Und wie gut, eine solche Hausapotheke zu nutzen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35355
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