SWR2 Wort zum Tag

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09MAI2022
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„Überlass dich nicht der Sorge, schade dir nicht selbst durch dein Grübeln!“ Das klingt wie ein Kalenderspruch und ein guter Rat, vielleicht auch nur wie eine Binsenweisheit. Kaum zu glauben, der Satz steht aber wörtlich in der Bibel. Über 2ooo Jahre alt, rät uns da ein Glaubenskünstler aus Jerusalem, wir sollten doch bitte liebevoll mit uns selber umgehen. Nicht Sorgen und Hadern, nicht Grübeln nach dem Motto „hätte, hätte, Fahrradkette.“ Nein, da meldet sich eine höchst menschenfreundliche Stimme. Denn an Gott glauben und gut zu sich selbst sein, das gehört zusammen. Wir sind seine Geschöpfe - also kein Pfusch und kein Unglück, viel mehr gewollt und begabt. Hören wir den ganzen Abschnitt von diesem unbekannten Glaubenslehrer namens Ben Sira: „Überlass dich nicht der Sorge, schade dir nicht selbst durch dein Grübeln. Herzensfreude ist Leben für den Menschen, Frohsinn verlängert ihm die Tage. Überrede dich selbst und beschwichtige dein Herz, halte Verdruss von dir fern.“ (Sir 30,21-23)

Immer noch schwirrt ja in vielen Köpfen und Herzen der Gedanke herum, Gott sei ein Konkurrent des Menschen oder gar sein Gegner.  Als verberge sich in dem Wort „Gott“ doch   ein strenges Überich, dem man sich zu unterwerfen habe. Als stünde menschliches Glück im Gegensatz zum göttlichen Willen.  Dieser frühjüdische Glaubenslehrer ist ganz anderer Meinung, und sein jüngerer Zeitgenosse erst recht.  Jesus von Nazaret entlässt die Leute, die in Not zu ihm kommen, mit der Feststellung: „Geh, dein Glaube hat dir geholfen“ Da werden die eigenen Hoffnungskräfte aktiviert, da ist ein starkes Gottvertrauen am Werk. Indem wir uns selber ernst nehmen und auf unsere Stimme hören, können wir Gottes Stimme vernehmen. Und die hat nur eins im Sinn hat: unser Glück und das Gelingen des Ganzen. Man sollte also der Güte Gottes keine Grenzen setzen.

Und doch tun wir uns oft so schwer damit.  Zu den inneren Verhinderern gehört ja in der Tat das Grübeln: nicht nur das Hadern mit dem, was schief gegangen ist oder versäumt wurde. Auch das Herumphantasieren an dem, was man wünscht und erträumt: Wäre ich doch wie der oder die, hätte ich doch dies und das. Aber beides verhindert das Leben jetzt, hier und heute

Und genau darauf kommt es an: jetzt ganz da sein und offen für das, was dran ist. Zu dieser Lebens- und Glaubenskunst gehört die Versöhnung mit mir selbst, im dankbaren Ja zur eigenen Biografie. Also in der Bereitschaft, den heutigen Tag als Chance zu sehen. Man darf auch mit dem Guten rechnen, angefangen bei sich selbst. Das ist Gottes Wille, möge es auch meiner sein.

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