Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

05MAI2022
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In einem Spielzeugladen habe ich vor Jahren mal ein paar Jonglierbälle entdeckt. Gesucht hatte ich ein Geschenk für ein kleines Mädchen, viel zu klein noch um Jonglieren zu lernen. Aber ich war sofort fasziniert. Jonglieren können, das war so ein heimlicher Traum, als ich ein Kind war. Nur ergab sich eben nie die Gelegenheit. Aber der Wunsch ging offenbar mit, wie so mancher andere auch – und tauchte aus den Tiefen der Kindheit erst wieder auf, als ich die Bälle sah. Ich hab sie auf der Stelle gekauft, im Affekt sozusagen. Und daheim gleich mal versucht, zwei Bälle gleichzeitig zu werfen und zu fangen. Ging natürlich nicht, wie auch, ohne Anleitung. Und auch mit Internetvideos kam ich nicht viel weiter.  

Doch dann hat mir eine Bekannte gezeigt, wie‘s geht. Und mir erst mal die Illusion genommen, mit zwei Tagen Üben könnte ich das auch. Zuerst sollte ich nur einen Ball von der linken in die rechte und von der rechten in die linke Hand werfen. Möglichst gleichmäßig, in meinem eigenen Tempo und Rhythmus. Dann das Gleiche mit zwei Bällen. Wenn einer fällt, einfach wieder von vorn. Unbeirrt. Und ganz wichtig dabei: dem Ball nicht hinterherschauen. Ich muss immer auf den obersten Punkt der Flugbahn schauen, nicht auf die Hände. Das Werfen und das Fangen muss ich nicht sehen, sondern spüren. Und eine andere Regel heißt: immer aufs Werfen konzentrieren, nie aufs Fangen. Das Werfen ist das, was ich aktiv tue, das Fangen geschieht quasi von selbst. Natürlich gab‘s noch viel mehr zu beachten, aber mit diesen beiden Regeln hab ich viel mehr gelernt als so leidlich mit Bällen zu jonglieren.

Für mich ist das auch ein Bild dafür geworden, worauf‘s in meinem Leben ankommt: ‚Werfen‘, das heißt dann: das tun, was ich zu tun habe, konzentriert, beherzt und ohne zu zögern. In meinem eigenen Rhythmus und auf meine eigene Art. Und das ‚Fangen‘, so verstehe ich dieses Bild, das Auffangen und aufgefangen werden soll nicht meine Sorge  sein. Ich kann vertrauen, dass all das, was ich anstoße und bewirke und tue, nicht ins Leere fällt. Sondern an ein Ziel kommt. Aufgefangen wird in einer größeren Hand. Und diese große Hand, so hoffe ich, die wird mich auch selbst einmal auffangen, am Ende meines Lebens. Diese große gute Hand, aus der nichts herausfallen kann und die alles auffängt, was fällt. Ich nenne sie Gott.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35323
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