Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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02MAI2022
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Vor ein paar Wochen war es wieder soweit. Es gab dieses spektakuläre Wetterphänomen, das im Sommerhalbjahr manchmal auftritt: Der Himmel färbt sich ganz eigenartig, alles ist wie in ein warmes Licht getaucht. Sogar wenn‘s regnet, ist der Himmel nicht grau, sondern leuchtet geradezu in rötlichem Gelb. Und wenn‘s vorbei ist, ist alles, was im Freien war, von einer ganz feinen Schicht bedeckt, Autos, Gartenmöbel, Balkongeländer. Wie wenn jemand das ganze Land mit einem riesigen Pinsel abgepudert hätte. 

Früher konnte man sich dieses Phänomen nicht erklären. Der rötliche Regen machte den Menschen Angst, denn er galt als Vorzeichen für drohende Katastrophen, etwa Seuchen oder Erdbeben. Heute wissen wir mehr. Es ist staubfeiner Sand aus der afrikanischen Wüste, der da immer wieder kilometerhoch geschleudert wird und den die Luftströmung nach Europa trägt. Und nicht nur zu uns, sogar bis in den südamerikanischen Regenwald. Und weil der Saharasand so viele Mineralien enthält, sorgt er seit Jahrtausenden dafür, dass noch in weit entfernten Regionen der Erde die Böden mit wertvollem Dünger versorgt werden.

Ist das nicht unglaublich? Mir bleibt da jedes Mal fast die Spucke weg, wenn ich von solchen globalen Zusammenhängen erfahre. Und davon gibt es ja viele, denn die Schöpfung ist ein System, in dem alles mit allem zusammenhängt. Nicht nur das Klima und die Böden, auch die Vegetation, die Tiere, die Menschen. Und das verändert auch meinen Blick: Wenn ich weiß, dass die lebensfeindliche afrikanische Wüste unsere Regionen fruchtbar macht – muss ich dann nicht auch die Menschen anders ansehen, die zu uns kommen, weil sie dort nicht genug zum Leben haben? Und noch etwas fällt mir dann ein: Die Industrialisierung, die letztlich ja für die Klimaerwärmung und für die zunehmenden Dürrekatastrophen zumindest mitverantwortlich ist, die ist ja von unseren Regionen ausgegangen. Mit Folgen für die ganze übrige Welt.  

Der Saharasand ist für mich ein Zeichen. Immer noch. Freilich nicht für eine Katastrophe, die schicksalhaft über uns hereinbricht. Sondern dafür, dass in Gottes Schöpfung alles zusammenhängt. Dass es sein Gebot ist, diese Zusammenhänge zu respektieren. Dass die Erde uns allen gehört. Und dass wir allesamt Geschwister sind. Miteinander verbunden, einander anvertraut, füreinander verantwortlich.

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