SWR1 3vor8

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01MAI2022
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„Liebst du mich noch?“ Wenn ich diese Frage gestellt bekomme, geht in meinem Kopf ein Alarmsignal an. Denn wer so fragt, fühlt sich offensichtlich nicht geliebt. Nicht mehr, nicht genug, nicht mehr richtig geliebt. Wenn ich die Frage dann nicht einfach mit einem Ja, klar hinwegfege, sondern herauszufinden versuche, was hinter ihr steckt, dann können der Frager und die Gefragte der Sache gemeinsam auf den Grund gehen. Und die verschütt gegangene Liebe wieder ausgraben.   

„Hast du mich lieb?“ Diese Frage steht auch im Mittelpunkt des Bibeltextes aus dem Johannesevangelium, der heute in vielen evangelischen Gottesdiensten der Predigt zugrunde liegt. Es ist eine jener Erzählungen, die zwischen Ostern und Himmelfahrt spielen. In diesen Geschichten scheint Jesus einerseits so lebendig, als wäre er immer noch der Mensch aus Fleisch und Blut, der er vor seinem Tod gewesen ist. Er isst und trinkt, brät Fische am See und unterhält sich mit seinen Jüngern wie eh und je. Andererseits dringt er wie eine Nebelerscheinung durch verschlossene Türen. Und an seinen Händen und Füßen zeichnen sich deutlich die Narben der Nägel ab, mit denen er ans Kreuz geschlagen wurde. Es ist eine seltsame Zeit. Eine Zeit zwischen Abschied und Neubeginn, zwischen Nähe und Distanz.  

„Hast du mich lieb?“ Der auferstandene Jesus fragt Petrus das zwei Mal kurz hintereinander. Und Petrus beteuert es beide Male. Als Jesus aber immer noch nicht lockerlässt und ein drittes Mal fragt, ist Petrus enttäuscht. Wie oft soll er es denn noch sagen? Petrus hat früher ebenso überzeugt behauptet: „Ich werde dich nie verleugnen!“ Und hat es dann doch getan. Drei Mal. Nach diesem Vertrauensbruch begegnen sich die beiden nun wieder. Jesus möchte dem Freund wieder vertrauen. Aber es braucht seine Zeit und mehrere Anläufe, um die innere Kluft zu überwinden. Drei Mal ja für drei Mal nein. Dann sagt Jesus: „Kümmere dich um die Menschen, die mir am Herzen liegen! Sorge für sie, so wie ich für die Menschen da gewesen bin!“ Das ist eine große Aufgabe und ein großer Vertrauensbeweis. Es ist eine von vielen Auferstehungsgeschichten, die sich nach Ostern ereignet haben. Denn auch tote Beziehungen können wieder zum Leben erweckt werden.

„Hast du mich lieb?“ Diese Frage kann ein Anfang sein. Vielleicht der Anfang eines Gesprächs über das, was unsere Liebe am Leben hält, was sie nährt und braucht. Der Anfang von wachsendem Vertrauen. Der Anfang eines neuen Weges.

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