Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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26APR2022
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Was hilft Beten? Das habe ich mich in den letzten Wochen oft gefragt. Seit der Krieg herrscht in der Ukraine und jeden Tag so viele Menschen ihr Zuhause und ihr Leben verlieren. Was hilft es, wenn ich Gott darum bitte, dass das alles nicht geschieht?

Nichts, könnte man meinen. Denn das Unheil in der Ukraine – und auch an vielen anderen Orten in der Welt – geht weiter, obwohl viele Menschen Gott jeden Tag um Frieden bitten.

Aber ich glaube, das stimmt nicht. Ich glaube, Beten hilft. Beten hilft dabei, nicht abzustumpfen und zu resignieren. Wer betet, findet sich mit Ungerechtigkeit, Gewalt und Krieg nicht ab. Beten ist ein innerer Protest, ein Aufschrei der Seele. Wer betet, bringt zum Ausdruck: Was da in der Ukraine passiert, ist falsch, furchtbar und soll und darf nicht sein.

Und: Wer betet, ist verbunden mit den Menschen, für die er betet. Er fühlt mit ihnen. Ich glaube, das gibt auch den Menschen in der Ukraine ein bisschen Mut, wenn sie wissen, dass viele Menschen auf der ganzen Welt für sie beten.

Aber vor allem denke ich: Beten hilft, weil Gott mein Gebet und die Gebete aller anderen Menschen tatsächlich hört. Beten ist kein Selbstgespräch. Mein Gebet macht nicht nur mit mir etwas, es macht auch etwas mit Gott. Jesus hat Gott immer wieder mit einem Vater verglichen und die Menschen mit seinen Kindern. Und wie es einem Vater oder einer Mutter nicht egal ist, wenn ihre Kinder etwas auf dem Herzen haben, so ist es auch Gott nicht egal. Wenn Menschen leiden, dann leidet Gott mit wie ein Vater oder eine Mutter mit ihren Kindern. 

Und warum beendet Gott dann nicht das Sterben in der Ukraine, in Syrien, im Kongo und anderswo?

Ich glaube, dass es auf diese Frage keine Antwort gibt. Jedenfalls keine, die einen voll und ganz überzeugt. Irgendwie muss ich diese Warum-Frage aushalten beim Betern. Vielleicht wendet Gott ja schon ganz viel zum Guten. Wer weiß, ob es nicht noch viel schlimmer auf dieser Welt zugehen würde, wenn Menschen aufhören würden zu beten.

Ich denke, dass die Kriege auf der Welt nicht aufhören, hat auch etwas mit der Freiheit zu tun, die Gott den Menschen gibt. Gott lässt uns Menschen die Freiheit, uns für das Gute und für das Leben oder für das Böse und für den Tod zu entscheiden. Gott zwingt nicht zum Guten. Aber ich glaube, dass er Menschen immer wieder das Gute anbietet, sie daran erinnert und ihnen die Möglichkeit gibt, das Gute zu wählen.

Deshalb bitte ich Gott weiter um Frieden in der Ukraine. Und ganz konkret bitte ich ihn, dass möglichst Viele, die heute in der Ukraine über Tod und Leben entscheiden können, das Leben wählen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35293
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