SWR1 3vor8

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15APR2022
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Karfreitag - Jesus stirbt am Kreuz. Die Gottesdienste heute erinnern daran. Und wir Christen versuchen, Jesus auf seinem unendlich schweren Weg zu begleiten.

Ein Satz der Erzählung macht mir dabei ganz besonders Mühe. Jesus soll ihn gesagt haben in dem Moment, als ihn die Soldaten ans Kreuz schlagen: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ Wie kann er das sagen? Wieso klagt er nicht über das Unrecht, das ihm angetan wird? Oder wieso sagt er seinen Peinigern nicht, dass sie Unrecht tun?

Dass Jesus um Vergebung bittet für die Soldaten - das geht noch. Wenigstens halbwegs. Aber dass sie nicht wissen, was sie tun? Kann das wirklich sein? Von einem Sohn Gottes wissen sie wahrscheinlich wirklich nichts. Aber dass sie wehrlose Menschen quälen? Das wissen sie doch!

Gerade in diesen Tagen klingt der Satz von Jesus fast unerträglich. Und es gibt ja nicht nur die Gewalt des Krieges. Auch im „normalen“ Alltag geschehen Morde, werden Frauen von ihren Partnern geschlagen, quält ein Mensch den anderen. Wie also umgehen mit den Worten von Jesus. Vergib, denn sie wissen nicht, was sie tun?

Wenn wir Christen heute beim Kreuz stehen, dann gehen wir nicht einfach an der Seite von Jesus mit. Nein, dann stehen wir ja auch bei den Soldaten. Und das sind ganz normale Menschen - nicht anders als Sie oder ich, nicht anders als Soldaten von heute, oder andere Gewalttäter und -täterinnen. Heute, an Karfreitag wird mir klar, dass es nicht einfach nur darum geht, Jesus auf seinem Schreckensweg zu begleiten. Es geht auch darum, mir selbst zu begegnen. Meinen menschlichen Eigenheiten - und auch den Abgründen in meinem eigenen Wesen. Bin ich zu Gewalt fähig? Sind wir alle dazu fähig? Wissen wir immer, was wir anrichten?

„Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ Das Gebet von Jesus lässt mich erschauern. Wozu wäre ich selbst fähig? Und womit habe ich anderen bereits geschadet - obwohl ich vielleicht dachte, nichts Unrechtes zu tun?

Der Satz von Jesus, in dem Moment, wie er ans Kreuz geschlagen wird, wird mir weiterhin besondere Mühe machen. Aber nicht, weil ich selbst nicht vergeben könnte - das habe ich jetzt begriffen. Sondern weil ich begreife, wozu wir Menschen fähig sind - und vielleicht auch ich selbst. So schwer die Worte also zu ertragen sind, die Jesus da sagt, so sehr brauche ich sie auch für mein eigenes Leben: „Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35236
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