Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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12APR2022
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In der Öffentlichkeit zu stehen ist nicht leicht. Heutzutage fühlt es sich an, als würde jedes Wort auf die Goldwaage gelegt, dass Prominente oder Leute aus der Politik sagen. Es scheint fast unmöglich etwas zu sagen, ohne jemandem auf den Schlips zu treten. Richtig hinterhältig wird die Sache, wenn Fangfragen gestellt werden: Ganz egal, was der Gefragte jetzt sagt - es ist in jedem Falle falsch.

Mit Fangfragen kann man den Ruf eines Menschen ruinieren. Eine Geschichte dazu findet sich in der Bibel, in dem Bericht von den letzten Tagen im Leben von Jesus, kurz bevor er am Kreuz hingerichtet worden ist.

Jesus hatte Feinde, aber für die war es gar nicht so leicht einen Grund zu finden, um ihn verhaften zu können. Also haben sie ihm eine Fangfrage gestellt - in aller Öffentlichkeit. Sie lautete: „Darf man dem Römischen Kaiser Steuern zahlen, oder darf man das als frommer Jude nicht?“ Die ganze Menschenmenge um Jesus herum würde seine Antwort hören. Wie ein Lauffeuer würde sie sich in der Stadt verbreiten. Sagt er „Ja, man soll Steuern an den Kaiser zahlen.“ wäre das, als würde er seine jüdischen Landsleute auffordern, ihren Glauben zu verraten. Streng genommen verstößt das nämlich gegen die Gebote der Bibel. Sagt Jesus „Nein“, hat er sofort die römischen Soldaten am Hals, die ihn als Revolutionär und Umstürzler verhaften würden. Egal was Jesus antwortet - es ist in jedem Falle falsch.

Jesus antwortet - aber ganz anders als erwartet. Überdeutlich sagt er, was er von dieser Art Spielchen, diesen Wortklaubereien und Fangfragen hält: nämlich gar nichts. Jeder mit ein bisschen gesundem Menschenverstand weiß doch, dass man seinen Glauben nicht verrät, wenn man dem Kaiser Steuern zahlt. Dem Namen nach mag das ja gegen die Gebote der Bibel verstoßen. Aber der Kaiser ist weit weg. Was wirklich zählt ist, ob man das Gebot der Nächstenliebe ernst nimmt, in der echten Begegnung mit den Mitmenschen.

Nächstenliebe war es ganz sicher nicht, die seine Gegner veranlasst hat, Jesus diese Fangfrage zu stellen. Sie wollten ihn einfach fangen, mundtot machen und loswerden.

Mit Fangfragen kann man Menschen ruinieren. Und mit Wortklaubereien kommt man bei den wichtigen Fragen unserer Zeit auch nicht weiter: Nur, weil sich ein Promi, ein Politiker oder eine Politikerin einmal nicht ganz sauber ausgedrückt hat, ist das noch lange kein Grund, jedes Wort auf die Goldwaage zu legen.

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