Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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11APR2022
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Randale im Tempel Gottes in Jerusalem. Und wer da um sich schlägt ist kein anderer als ausgerechnet Jesus. So kennt man ihn sonst eigentlich nicht, aber ich finde, er hatte einen guten Grund. Und ich muss zugeben, dass ich es befreiend finde, wenn sogar Jesus mal die Beherrschung verliert und einfach um sich schlägt.

Den meisten von uns ist wahrscheinlich auch schon mal danach gewesen – beim Blick auf die Nachrichten zum Beispiel. Mich regt immer besonders auf, wenn einfache Leute um ihr Geld betrogen werden. Wenn zum Beispiel ein großes, börsennotiertes Unternehmen wie Wirecard seine Kleinaktionäre übers Ohr haut. Normale Leute, die mit einem Schlag alle ihre Träume beerdigen müssen – weil ihnen kaum etwas geblieben ist. Man möchte am liebsten… Na, Sie wissen schon.

Als Jesus das Treiben im Jerusalemer Tempel gesehen hat, ist es ihm genauso gegangen. Denn hier muss es zugegangen sein wie auf dem Rummelplatz. Eigentlich war der Tempel für fromme Juden das Zentrum ihres Glaubens. Hier haben sie die besondere Nähe Gottes gesucht, haben gebetet und haben sich ihm anvertraut. Junge Eltern sind mit ihrem neugeborenes Kind zu den Priestern gegangen, haben gedankt und haben auf Gottes Segen gehofft. Viele Menschen haben Gott etwas von ihrem Besitz geopfert: Geld, Getreide oder auch ein Tier – so wie es eben üblich war in früheren Zeiten.

Aber irgendwann haben findige Geschäftsleute ihre Chance gewittert, Profit daraus zu schlagen: Wie praktisch, wenn man seine Opfergaben direkt im Tempel kaufen und nicht extra mitbringen müssen. Praktisch, wenn man nebenbei auch andere wichtige Geschäfte erledigen kann, Geld leihen zum Beispiel.

Als Jesus den Rummel sieht, platzt ihm der Kragen und er schlägt um sich, schmeißt die Marktstände um und setzt die Händler kurzerhand vor die Tür. Der Tempel ist ein Ort fürs Gebet – und keine Räuberhöhle. – Beliebt hat er sich damit natürlich nicht gemacht. Beim Geld hört die Freundschaft bekanntlich auf.

Jesus hat immer wieder solche Missstände angeprangert, und er hat sich damit mächtige Feinde gemacht. Die wollten sich ihr Geschäft nicht verderben lassen und haben deshalb mit dafür gesorgt, dass Jesus kurze Zeit später verhaftet wurde und am Kreuz gestorben ist. Jetzt, in der Passionswoche, erinnern wir Christen uns daran. Es braucht einigen Mut, um Missstände anzuprangern. Aber am Ende wird Jesus es sein, der der Stärkere ist.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35223
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