Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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21APR2022
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Hin und wieder sage ich: Ich bin froh, dass ich nicht mehr so jung bin. Weil die Jungen es heute schwerer haben als ich. Ich hatte eine schöne Kindheit und eine ziemlich unbeschwerte Jugend. Mein Notenschnitt im Abitur war nicht so wichtig. Und ich musste beim Studieren nicht achtgeben, ob ich ein oder zwei Semester mehr brauche. Gefühlt ging es immer aufwärts. Kein Krieg, kaum Krisen. Wenn ich dann daran denke, wie anders das für junge Leute heutzutage ist, und mir sage, dass ich lieber nicht mit ihnen tauschen will, dann merke ich, wie egoistisch das eigentlich ist. Und mich beschleicht ein ungutes Gefühl. Ich konnte nichts dafür, dass es bei mir so war. Sie können auch nichts dafür. Und ich spüre, was meine Aufgabe ist. Als einer, der schon den größeren Teil seines Lebens hinter sich hat. Ich muss etwas für die Jungen tun! Mit bald sechzig steckt man zwei Jahre Pandemie leichter weg als mit fünfzehn. Für einen jungen Menschen ist das gefühlt das halbe Leben. Jetzt auch noch ein Krieg, der Angst macht. Und der Klimawandel, mit allem, was das für die Zukunft bedeuten wird. Es gibt Jugendliche, denen das Düstere, das damit verbunden ist, regelrecht ins Gesicht geschrieben steht. Es fällt ihnen schwer zu lachen. Sie kleiden sich schwarz, und verbergen sich hinter großen Kopfhörern. Ich hoffe, dass ihnen das hilft, sich auszudrücken. Dass wir verstehen, was sie uns sagen wollen. Dass sie oft ein dunkles Bild haben vom Leben und der Welt. Und: dass wir Älteren es ihnen nicht noch zusätzlich schwer machen, indem wir übertriebene Erwartungen an sie haben.

Was also kann ich konkret für die nachkommenden Generationen tun? Zum Beispiel: Aufhören damit zu denken, dass immer mehr wirklich immer besser ist. Ich kann weniger verbrauchen. Ein guter Maßstab dafür ist darauf zu achten, wo ich viel wegwerfe. An Kleidern, an Lebensmitteln, an eigentlich allem, was ich kaufe und verbrauche. Da geht weniger. Oder indem ich darauf achte, die Einstellungen der Jüngeren genau anzuhören und sie ernst zu nehmen. Das geht in der Kirche, in der Schule und in der Nachbarschaft. Ich hatte Glück, dass ich eine unbeschwerte Jugend hatte. Heute kann ich mithelfen, dass die Belastungen nicht zu groß werden, die junge Menschen spüren.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35220
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