SWR4 Abendgedanken

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14APR2022
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Heute Abend feiere ich in meiner Kirche das „letzte Abendmahl“. Wie jedes Jahr an Gründonnerstag. Dabei denke ich daran, wie Jesus mit seinen Jüngern an diesem Abend noch einmal zusammensitzt. Gemeinsam essen sie, bevor er am nächsten Tag am Kreuz hingerichtet wird. Jesus weiß, was ihm bevorsteht. Trotzdem flieht er nicht oder taucht unter, sondern er setzt sich in aller Ruhe und ganz bewusst mit seinen Jüngern an den Tisch.

Was dann passiert ist, ist viel mehr als ein einfaches Abendessen. Jesus teilt mit seinen Jüngern nicht nur Brot und Wein, sondern er sagt: „Das, was jetzt und in den nächsten Tagen mit mir passiert, das ist nicht einfach ein Ereignis in der Geschichte, sondern: Immer wenn Menschen, so wie wir heute, das Brot und den Wein miteinander teilen, haben sie an dieser Geschichte teil.“

Bis heute feiern Christen auf der ganzen Welt deshalb heute Abend gemeinsam Abendmahl. Oder wie es in der katholischen Kirche heißt: Eucharistie.

Immer wenn ich Eucharistie feiere, erinnere ich mich nicht nur an Jesus und seine Geschichte, sondern in diesem Ritual ist er für mich wirklich da. Zwar anders als er damals für seine Jünger da gewesen ist, aber genauso wirklich. Ich kann Jesus zwar nicht sehen, aber in Brot und Wein wird er für mich sozusagen auf verborgene Weise sichtbar.

Das klingt vielleicht seltsam. Aber eigentlich verhält es sich bei vielen Dingen in meinem Leben so. Jedenfalls bei den Dingen, die mir wichtig sind. Mein Zuhause, mein Mann, der letzte Urlaub…das sind alles Dinge, die ich sehen kann. Aber das, was sie für mich erst so schön und wertvoll macht, ist viel eher: Der Frieden in meinem Zuhause, die Liebe zu meinem Mann und die Freude am letzten Urlaub. Es sind diese unsichtbaren Dinge, die in meinem Leben wirklich zählen.

Aber für die unsichtbaren Dinge brauche ich etwas, das ich sehen oder spüren kann. So wie z.B. einen Kuss, der mich die Liebe meines Mannes sehen und spüren lässt. Oder eben das Brot in der Eucharistie, bei dem ich etwas von Jesus, von Gottes Gegenwart schmecken kann.

Jesus hat mir am Gründonnerstag ein sichtbares Zeichen geschenkt, damit ich nicht vergesse, dass er auch heute und auch für mich wirklich da ist. Seine unsichtbare Liebe kann ich mit allen Sinnen erleben: in Brot und Wein.

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