SWR1 3vor8

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10APR2022
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Manchmal bringe ich es einfach nicht zusammen: da freue ich mich auf unbeschwerte Urlaubstage nach Ostern und denke gleichzeitig an eine Freundin, die lange Zeit in der Klinik sein muss. Da sehe ich Tag für Tag die schrecklichen Kriegsbilder in den Nachrichten und am Abend sitze ich mit Freunden bei einem Bier in der Kneipe.

Es sind zwei Welten, die in meinem Leben ständig aufeinanderprallen und überhaupt nicht zueinander passen. Und es kommt nicht erst das eine und dann das andere, sondern beides ist gleichzeitig da. Es liegt nebeneinander, ist manchmal auch miteinander verwoben.

Wenn ich heute, am Palmsonntag, die biblischen Texte im Gottesdienst höre, dann steckt da auch beides drin: Da freuen die Menschen sich, dass Jesus in die Stadt kommt. Sie erhoffen sich von ihm, dass er dafür sorgt, dass es aufwärts geht. Der Jubel ist groß. Doch schon kurze Zeit später schlägt die Stimmung um. Jesus wird festgenommen, gefoltert und stirbt qualvoll am Kreuz. Enttäuschung pur.

Als Jesus nach Jerusalem kommt, da rufen ihm die Leute „Hosanna“ zu. Übersetzt heißt Hosanna: Hilf doch! Die Menschen trauen Jesus zu, dass er derjenige ist, mit dem alles gut wird. Dass er der Messias ist. Also derjenige, der retten, heilen und versöhnen kann. Und deshalb bitten und flehen sie, dass er doch endlich was tut und durchgreift.

Auch ich könnte zur Zeit oft „Hosanna!“ schreien, also „Hilf doch! Gott, mach was!“ Dass kranke Menschen gesund werden. Einsame nicht allein sind. Dass Menschen es schaffen, nicht nur den eigenen Kopf durchzusetzen, sondern wirkliche Kompromisse einzugehen. Und dass der Krieg endlich aufhört.

In solchen Momenten wünsche ich mir manchmal, dass Gott durchgreift und schnell alles gut wird. Doch so einfach, wie ich mir das vorstelle, ist es nicht. Und nur weil Gott nicht direkt eingreift, heißt es nicht, dass es ihm egal ist, wie es den Menschen geht. Im Gegenteil. Ich glaube, dass er sich berühren lässt. Gott nichts fremd ist, worunter Menschen leiden. Er kennt das Leben – in allen Facetten. Die Tiefs, aber auch die Hochs. In beiden ist er da.

Mich stärkt und tröstet dieser Gedanke. Und wenn ich heute im Gottesdienst „Hosanna“ rufe und singe, dann packe ich da mein ganzes Leben rein und bitte: Hilf doch, Gott. Sei da, wenn ich verzweifeln könnte. Das Leben nicht verstehe. Aber auch: wie gut, Gott, dass du bei mir bist – in allen Lebenslagen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35184
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