Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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13APR2022
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Vor dem Wurstsalat mit Pommes, neben dem Weizenbier: gefaltete Hände. Verstohlen sehe ich hin, wie einige Augenpaare an diesem sonnigen Mittag am Rhein. Zwei Frauen um die 40, in Jeans und Kapuzenpulli. Ganz normal eigentlich. Aber sie beten. Am Biergartentisch, unter Eichen. Mitten im Geplauder und vor den japanischen Touristen. „Die sin von de fromme Truppe“, flüstert der Kellner hinter mir. Oder meint, zu flüstern.

Ja, Beten scheint peinlich. „Die Muslime werfen sich ja überall einfach auf den Teppich, aber wir? Müssen das doch nicht!“, hat eine Schülerin in Religion mal zu mir gesagt. „Müssen nicht“, hab ich geantwortet, „aber du darfst“. Auch wenn es ja offenbar merkwürdig ist, außerhalb der Kirche zu beten, so öffentlich, außer vielleicht auf dem Fußballplatz Stoßgebete zu murmeln. Einige meiner Pfarrerskollegen beten dagegen oft sehr laut und sehr lang, auch im Lokal. Püh. Da bete ich mit, wenn mir danach ist. Oder ich bin einfach still. Das ist schön. Still sein, kurz, und mir meinen Teil denken. Kurz mal inne halten. Und ich frage mich, ist es wirklich peinlich, dankbar zu sein? Gerade hier an diesem warmen, friedlichen Frühlingstag am Rhein, vor dem Wurstsalat?

„Seit Neustem findet es unser Großer voll Panne, wenn wir beten vorm Essen“, sagt nun die Eine im Kapuzenpulli, offenbar Mama, und greift nach dem Besteck, „das würd aussehen, als wärn wir scheinheilig, sagt er“. Darauf die Freundin: „Klar, in seinem Alter sind ja alle Eltern peinlich - aber scheinheilig? Nun ja, Heilige sind wir jedenfalls auch nicht, oder?“ Eben noch still am Beten, prusten die Beiden nun los. Mitten in ihr Weizenbier. Trinken, tauchen Pommes dick in Ketchup, lachen laut und herzerfrischend. So gar nicht „fromme Truppe“ - was immer das heißen mag. Klischees sind manchmal halt doch nur Vorurteile.

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