SWR2 Wort zum Tag

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06APR2022
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Ein Zitat von Dietrich Bonhoeffer geht in diesen Tagen mit mir um: „Ich glaube, daß Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will. Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen. Ich glaube, daß Gott uns in jeder Notlage so viel Widerstandkraft geben will, wie wir brauchen.“1

Es ist ein starkes Bild, das Bonhoeffer da aufruft. Noch stärker wird es, wenn ich die Umstände bedenke, in denen er es gesagt hat: Als inhaftierter Pfarrer und Widerstandskämpfer gegen das 3. Reich, der in den letzten Tagen des Krieges noch hingerichtet wurde.

Aber hält es auch den Bildern aus der Ukraine stand? Sie zeugen von einer beispiellosen humanitären Katastrophe. Menschen, die wochenlang in Kellern ausharren müssen, ohne genug Lebensmittel, manchmal sogar ohne Leitungswasser. Tage, Nächte voller Angst unter den Bomben und Raketenbeschuss. Ich mag gar nicht an die vielen Kinder denken, die das tagtäglich erleben müssen.

Dieses Leid mit ansehen zu müssen bringt mich an die Grenzen meines Glaubens. Zusammengefasst in der einen Frage: Warum lässt Gott all das zu?

„Ich glaube, daß Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will. Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen. Ich glaube, daß Gott uns in jeder Notlage so viel Widerstandkraft geben will, wie wir brauchen.“ So antwortet Bonhoeffer.

Seine Worte fallen mir zunächst nicht leicht zu glauben. So auch jetzt. Ich versuche die Dinge aus dem Blickwinkel von Bonhoeffer zu betrachten. Und kann eigentlich nur staunen. Mit welchem Mut die Ukrainer, und ihnen allen voran ihr Präsident, der Invasion der russischen Armee entgegentreten. Mit einer Widerstandskraft, die niemand für möglich gehalten hätte. Es gibt viele Menschen, die Gottseidank Hilfe erfahren, fliehen können, Unterkunft erhalten. So viele Staaten, Einrichtungen und Organisationen bieten Unterstützung und liefern Hilfsgüter. Da ist eine unglaublich große Welle weltweiter Solidarität von so vielen Menschen, die spenden und helfen.

All das kann das Böse nicht ungeschehen machen. Aber es stellt sich ihm entgegen. Mit all jenen Menschen, die Widerstand leisten, die retten und helfen. Es entsteht Zuversicht und Hoffnung.

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Dietrich Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung: Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft, Hrsg. Von Eberhard Bethge, München 1990, 14. Auflage, S. 19

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35167
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