SWR2 Wort zum Tag

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05APR2022
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Manchmal hilft nur noch Beten. Wenn ich auf die Ereignisse in der Ukraine schaue, kommt mir dieser Satz unweigerlich in den Sinn. Ich sehe ein Land, das in großen Teilen zerstört ist. Menschen, die unsagbares Leid erdulden. Und habe eine gehörige Wut im Bauch. Nicht gegen Russland und seine Menschen. Aber gegen einen Diktator, der dieses Land einfach überfallen hat und so viel Gewalt und Zerstörung über dieses Land bringt.

Gleichzeitig spüre ich eine große Ohnmacht und Hilflosigkeit. Die Situation ist, im wahrsten Sinne des Wortes, furchtbar komplex. Angesichts der drohenden Gefahr, dass dieser Krieg weiter eskaliert und zu einem Flächenbrand wird, ist jede unbedingt nötige Hilfe für die Ukraine letztlich doch nur bedingt möglich. Das auszuhalten fällt mir schwer.

Denn ich war bis vor kurzem ferst davon überzeugt, dass Gewalt keine Lösung und Frieden schaffen mit Waffen ein Ding der Unmöglichkeit ist. Dafür bin ich auf die Straße gegangen. Und jetzt? Ich bin erschrocken darüber, welches Vokabular sich wie selbstverständlich in die politischen Debatten eingeschlichen hat.

Ich habe das Gefühl, wie ich es drehe und wende, es gibt kein Handeln, das per se und grundsätzlich gut ist. Wenn ich den Frieden mit Waffengewalt zu gewinnen suche, mache ich mich schuldig an den Menschen, denen durch diese Waffen Leid und Tod zugefügt wird.

Und wenn ich den Einsatz von Waffen ablehne, mache ich mich schuldig an den Menschen, die Leid und Tod erleiden, weil sie dadurch schutzlos bleiben und ich sie der Gewalt ausliefere.

Die ethische, moralische und für den, der glaubt, auch theologische Kategorie, die damit untrennbar verbunden ist, ist nicht nur die Frage nach der Gerechtigkeit, sondern vor allem eine Frage der Schuld. Mit jedem Handeln. Und auch mit jedem Unterlassen.

Aus dieser Zwickmühle komme ich einfach nicht heraus. In allem Streben, die Dinge zum Guten wenden zu wollen, bin und bleibe ich gefangen und verstrickt mit allem Bösen, Ungerechten, Unbarmherzigen und Ungenügen dieser Welt, wie auch in mir selbst.

Einer, der das lange vor unserer Zeit erkannt hat, war Martin Luther. Und er hat daraus den Schluss gezogen, dass ich als Mensch eben darum Gott mit seiner ganzen Barmherzigkeit nötig habe. In meinem ganzen Tun und Lassen.

Mir geht es genauso. Mir hilft manchmal nur beten. Nicht erst in diesen Zeiten. Aber jetzt erst recht!

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