SWR2 Wort zum Tag

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09APR2022
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Heute vor 77 Jahren starb Dietrich Bonhoeffer, NS-Gegner, Theologieprofessor, Dichter, hingerichtet knapp einen Monat vor dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Terrorregimes, ein letztes sinnloses Verbrechen eines verbrecherischen Staates. Bonhoeffers Gedanken, seine Theologie, seine Haltung aber konnte kein Galgen brechen oder zerstören. Bis heute schöpfen Menschen Trost und Hoffnung aus den Gedichtzeilen, die er aus dem Gefängnis an seine Verlobte geschrieben hat: Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost was kommen mag, Gott ist bei uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag. Wie oft habe ich dieses Lied zum Jahreswechsel im Gottesdienst gesungen, und es hat mich und andere zuversichtlich ins neue Jahr blicken lassen, auch wenn große Aufgaben zu bewältigen waren. Und wie oft habe ich es am offenen Grab mit der Trauergemeinde gesungen. Auch in solchen schwierigen Situationen konnten die Worte Kraft und Trost entfalten. Eine Freundin, die eine lebensbedrohliche Krankheit überwinden musste, hat ebenso Halt in den Worten Dietrich Bonhoeffers gefunden wie ein junger Mann, den ich kenne, der sich durch die Gedanken Bonhoeffers für ein Theologiestudium begeistern ließ.

Dietrich Bonhoeffer ist nicht einmal 40 Jahre alt geworden. Doch dieses kurze Leben hat reiche Frucht getragen, es hat – in dunkelster Zeit zerstört – das Leben vieler Menschen erleuchtet, seine Gedanken inspirieren Menschen nach wie vor. Dem großen Theologen Dietrich Bonhoeffer war es ein Anliegen, theologische Gedanken stets aufregend und anschaulich zugleich zu formulieren. Er blieb nicht im wissenschaftlichen Elfenbeinturm, sondern entfaltete seine Gedanken so, dass Menschen sie verstehen konnten. Kein Wunder, dass er dann auch politisch nicht passiv, sondern aktiv geworden ist, dass er ein sicheres Asyl in den USA ausgeschlagen hat, um sich für Menschenwürde und Gerechtigkeit einzusetzen. Mir scheint, diese mutige und für sie gefährliche Haltung haben seine Richter und Henker sehr genau verstanden, und deshalb war es ihnen ein dringendes Anliegen, diesen Mann zum Schweigen zu bringen. Es ist ihnen nicht gelungen.

Gerade scheint es wieder, als ob unsere Welt in den Händen von Menschen liegt, die es böse meinen. Dass Unrecht und Gewalt obsiegen und die Schwachen hilflos leiden müssen. Das ist schrecklich und macht mir Angst. Bonhoeffers Gedicht erinnert mich tröstlich daran, dass unsere Welt in den Händen Gottes liegt, manchmal gegen jeden Augenschein. Und so passt sein Lied auch und gerade jetzt: Gott ist bei uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag. Auch heute.

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