Anstöße sonn- und feiertags

Anstöße sonn- und feiertags

03APR2022
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Es ist ein Foto von meinem achten Geburtstag. Ich stehe auf den neuen Rollschuhen, mit einem Krönchen auf dem Kopf in der Hauseinfahrt. Eingerahmt von Tante Erika und Onkel Gerhard, die mich rechts und links sicher an der Hand halten. Die Situation ist typisch für mich. Rollschuhe, Schwebebalken oder Ski sind bis heute nichts für mich. Ich brauche festen Boden unter den Füßen. Und wenn ich den nicht habe, brauche ich irgendwie anders Halt. Ich gehöre zu denen, die schon als Kind viel Angst hatten. Angst, die Freundin zu verlieren. Angst, schwer krank zu sein. Früh zu sterben. Irgendwie bin ich damit immer zurechtgekommen. Bis mich eine Krise in meinem Leben ganz aus der Spur geworfen hat. Mir hat nichts mehr geholfen, was ich bis dahin kannte. Keine Ablenkung. Keine Freundin. Auch nicht mein Glaube an Gott.

Ich habe Hilfe bei einer Therapeutin gesucht, die sich auskennt mit traumatischen Erfahrungen. Mit ihr habe ich entdeckt, welche Kraft innere Bilder haben können. Innere Bilder sind heilsame Vorstellungen meiner eigenen Phantasie. Eines dieser Bilder ist ein Ort geworden, den ich jederzeit aufsuchen kann. Es ist ein Haus. Die Räume sind lichtdurchflutet und gemütlich. Ich fühle mich dort geborgen und es ist warm. Ein sicherer Ort. Das Haus steht in einem Garten mit alten Obstbäumen. Ich sitze auf der Bank vor dem Haus zusammen mit einer alten gütigen Frau. Kraftvoll und weise beschützt sie mich und ist für mich da. Wenn ich heute verzweifelt bin und die Angst zurückkommt, kann ich mich an diesem Ort selbst in Sicherheit bringen.

Dieses Bild ist viel mehr als ein Bild. Es ist ein Teil meiner Seele. Unverletzt und heil. Ich spüre göttliche Gegenwart in mir. Mich beeindruckt, dass ich inzwischen nicht mehr hilflos bin, wenn ich Angst habe. Ich habe jederzeit Zugang zu dieser Quelle. Ich nenne sie Quelle des Göttlichen. Sie verbindet mich immer wieder neu mit den Psalmbetern aus dem Alten Testament. Sie sprechen von Gott als Ort ihrer Zuflucht. Als Fels in der Brandung, als sichere Burg, die sie in aller Not und Verzweiflung beschützt. Ich finde Schutz im lichthellen Haus, das ist mein Ort der Zuflucht. Wo ich geborgen bin und mich angenommen weiß - angenommen von Gott.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35136
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