Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Regeln und Rituale können einem das Leben leichter machen. Es ist anstrengend, wenn ich an jedem Mittag mit meinem Kind kämpfen muss, ob nun ein Mittagsschläfchen dran ist oder nicht. Noch mehr Nerven kostet es, an jedem Wochenende neu mit den Halbwüchsigen zu verhandeln, wann sie zu Hause sein sollten. Einfacher ist es, wenn man sich auf eine Regel verständigt: Jeden Mittag wenigstens für eine Weile hinlegen, der Schlaf kommt dann meist schnell. Am Wochenende grundsätzlich bis Mitternacht – über Ausnahmen kann man reden. Solche Regeln machen es leichter für alle Beteiligten, finde ich. Und wenn die Zeit darüber hinweg gegangen ist, die Kinder größer oder erwachsener geworden sind – dann wird man auch die Regeln anpassen oder weglassen. Es wäre ja Quatsch, Schulkinder noch zum Mittagsschlaf zu nötigen…
Regeln machen das Leben leichter. Natürlich kann man das auch anders sehen. Regeln engen ein, sagen manche – was für den einen richtig ist, ist einem anderen ein drückendes Muss. Vor allem die sogenannten 68er haben das so gesehen. Ich erinnere mich an endlose Diskussionen, wer denn nun endlich das Geschirr spült und wie laut die Musik sein darf. Das war anstrengend und irgendwann hatten fast alle genug davon.
Sich an Regeln anpassen, erst einmal davon ausgehen, dass das sinnvoll sein könnte, was andere schon ausprobiert und geregelt haben – das gibt dem Leben eine Art Gerüst, an dem man sich halten kann. Ich glaube, dass tut gut, auch wenn es einem manchmal gar nicht ausdrücklich bewusst ist.
Regeln machen es einem nicht nur leichter – sie können auch frei machen. Die Sonntagsregel zum Beispiel. „Du sollst den Feiertag heiligen,“ das dritte Gebot. Ich versuche, mich ganz bewusst daran zu halten. Nehme mir vor, am Sonntag nicht zu arbeiten, auch sonst nichts von dem zu tun, was ich an Werktagen machen kann: nicht waschen, nicht bügeln, nicht einkaufen, kochen nur, wenn ich mich darauf freuen kann, mit anderen zu essen. Aber Telefonieren ist schön am Sonntag, weil da auch andere frei haben, oder sich treffen und gemeinsam rausgehen oder endlich das neue Buch anfangen. Für mich gehört auch der Gottesdienst dazu. Lauter Dinge, die den Sonntag zu einem besonderen Tag machen, wo man nichts muss, sondern tun kann, was man möchte. So eine Regel tut gut. Wenn ich sie nicht hätte, würde ich wahrscheinlich doch fertig machen, was liegen geblieben ist. Oder vorbereiten, was in der nächsten Woche kommt. Aber weil ich eine Regel habe, an die ich mich halte, ist der Sonntag für mich ein Tag der Freiheit. Und das tut mir gut.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=3513
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