Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Wie geht man mit Enttäuschungen und Niederlagen um? Viele, die so alt sind wie ich oder ein bisschen älter hatten große Träume, egal, ob sie sich als 68ger bezeichnet haben oder nicht. Wir wollten alles anders und vor allem besser machen als unsere Eltern und Großeltern. Und haben jetzt das Gefühl: eigentlich ist nicht viel daraus geworden, obwohl wir uns doch so bemüht haben und eingesetzt. „Er ist immerzu beleidigt, dass wir Schüler nicht zu seinen pädagogischen Träumen passen“, hat mein Sohn mal über einen seiner Lehrer gesagt. Dann rastet er aus. Oder er redet nicht mehr mit uns.
Ich verstehe das gut. Wenn man enttäuscht ist, dann wird man leicht bitter und aggressiv. Oder zynisch. Und manche halten sich einfach aus allem raus, kümmern sich nur noch um ihren Garten oder fahren in die Toscana. „Wenn ich die Welt schon nicht besser machen kann, dann will ich es wenigstens gut haben.“
Die Welt ist nicht das Paradies, wo sich alle Wünsche erfüllen und alle Träume wahr werden. Leider. Das wissen auch wir Christen. Im Grunde hat ja der Glaube der Christen auch mit einer Enttäuschung angefangen. Jesus ist hingerichtet worden. Es sah so aus, als ob man vergeblich gehofft hätte. Viele sind damals davon gelaufen. Wollten nichts mehr wissen von den Träumen von früher. Aber ein paar haben ausgehalten und genauer hingeschaut und gemerkt: Jesus ist nicht gescheitert und wir auch nicht. Gott hat neues Leben möglich gemacht, wie wir es gehofft haben. Deshalb sind sie beieinander gebleiben und haben einander geholfen, in seinem Sinn zu leben. Sie haben einander und auch anderen von den guten Erfahrungen erzählt, die sie gemacht haben. Und vor allem haben sie von ihren Hoffnungen erzählt. Dass es ein Leben geben wird, wo alle an einem Tisch sitzen, wo nicht mehr unterschieden wird nach Geldbeutel, nach Hautfarbe oder Geschlecht. Wo alle haben werden, was sie zum Leben brauchen. So soll es nach Gottes Willen sein. Diese Hoffnung haben sie wach gehalten. Und gewusst: so kann es sein. Und wir können jetzt schon versuchen, so zu leben.
Viele von den enttäuschten 68gern sind keine Christen. Im Gegenteil, den meisten war die Kirche zu bürgerlich, ich weiß. Trotzdem: ich finde, das könnten sie von den Christen lernen: die Träume weiterzugeben und die Hoffnungen. Auch wenn in manchen Bereichen nichts daraus geworden ist, auch wenn sie wahrscheinlich eine Menge Fehler gemacht haben: die Hoffnungen waren ja nicht falsch.Und – wenn wir sie nicht mutlos machen mit unserer Bitterkeit - vielleicht fechten unsere Kinder und Enkel es ja besser aus. Auch diese Vorstellung hilft gegen die Enttäuschung, finde ich.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=3512
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