SWR4 Abendgedanken

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21MRZ2022
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Da saß ich nun bei der Polizei und habe Anzeige erstattet. Ich bin nämlich betrogen worden. Ich wollte über eine Kleinanzeige in der Zeitung eine gebrauchte Spielekonsole kaufen. Ich habe das Geld überwiesen, aber leider nie etwas dafür bekommen. So ein Ärger. Ich habe es noch ein paar Mal probiert. Aber es kam einfach nichts. Deshalb musste ich zur Polizei.

Das Geld ist wohl futsch. Was mich aber viel mehr ärgert, ist: Dass ich mich seither immer wieder frage, wem ich vertrauen kann – gerade, wenn ich die Leute nicht so gut kenne.

Das war bisher kein so großes Thema für mich. Denn ich gehe eigentlich immer zuerst Mal davon aus, dass die Leute, mit denen ich es zu tun habe, vertrauenswürdig sind. Das klingt vielleicht ein bisschen naiv, aber ich möchte gerne in allem zuerst das Positive sehen.

Und genau das hat jetzt einen Dämpfer erhalten. Und während ich so drüber nachdenke, merke ich, dass in der letzten Zeit das ganze Vertrauen der Menschen untereinander ziemlich gelitten hat. Corona hat dafür gesorgt, dass sich die Leute misstrauisch beäugen, ob da auch ja nicht einer erkältet ist. Der Meinung von Fachleuten vertraut scheinbar auch keiner mehr, und überhaut wissen es eigentlich alle besser als die Politiker. Und Putin hat dafür gesorgt, dass es mir plötzlich schwerfällt an das Gute im Menschen überhaupt zu glauben. Dabei will ich das gar nicht.

In der Bibel gibt es eine Geschichte, in der selbst Gott das Vertrauen zu uns Menschen verloren hat. Es wird erzählt, dass Gott sich nicht anders zu helfen gewusst hat, als nochmal ganz von vorne anzufangen. Deshalb gab es eine große Flut. Nur Noah hat mit seiner Familie und vielen Tieren in einer Arche überlebt. Am Ende der Geschichte hat Gott versprochen, dass es das nie wieder geben wird. Gott weiß, wie wir Menschen sein können. Dass wir eben auch eine dunkle Seite haben. Und trotzdem hat er dieses Versprechen gegeben. Vielleicht, weil er trotzdem an dem Guten in uns Menschen festhalten wollte.

Festhalten am Vertrauen. Mir immer wieder klar machen: es gibt auch so viele Menschen, die gerade jetzt helfen wollen. Ehrliche Menschen, die niemanden über den Tisch ziehen wollen. Gott hat es vorgemacht und daran möchte ich mich auch halten. Ich werde wieder über Kleinanzeigen einkaufen. Meinen Nachbarn anlächeln, selbst wenn er erkältet wirkt und besonders in diesen Kriegszeiten auf das Gute in den Menschen vertrauen. Denn Vertrauen ist ein Geschenk, das ich ohne Bedingungen von Gott bekommen habe. Das möchte ich gerne weitergeben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35078
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