Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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23MRZ2022
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Ein Unternehmer schenkt seinen Mitarbeitern einen kleinen Stoff-Hamster. Mit Käfig und Hamsterrad und einer Karte auf der steht: "Behandeln Sie dieses Tier gut und pflegen Sie es, genauso wie Ihre Gesundheit. Wenn Sie denken, Ihrem Tier geht es in seinem Käfig besser als Ihnen in der Firma, lassen sie es mich wissen. Wir werden gemeinsam Lösungen finden!" Der Unternehmer hat Humor! Aber nicht nur das, ich glaube er meint es ehrlich. Er macht sich Sorgen um seine Mitarbeiter und ist offen für unkonventionelle Lösungen.

Früher kannte jeder im Unternehmen seinen Platz ganz genau. Es stand alles in der Stellenbeschreibung. Das Bild einer Firma war das stabile Organigramm. Aber so funktioniert das heute nicht mehr. Unternehmen müssen sich immer schneller an Veränderungen anpassen, nicht nur in Pandemie-Zeiten. Es wird immer schwieriger, Aufgaben genau zu beschreiben. Rollen werden mehrdeutig, weniger vorhersehbar, Schnittstellen bleiben unklar: Kollegen oder Kunden werden missverstanden. Es kommt zu Konflikten.

Dass Menschen dabei krank werden, dass sie sich überfordert fühlen, hängt für mich auch mit dieser zunehmenden Unsicherheit am Arbeitsplatz zusammen. Nichts ist mehr selbstverständlich, vieles muss immer wieder neu besprochen und geklärt werden. Damit umzugehen ist schwer. Man kann sich nicht mehr an fixen Arbeitsabläufen und äußeren Strukturen festhalten. Ich glaube jeder muss heute, mehr als je zuvor, für sich selbst Verantwortung übernehmen, spüren, wo seine Grenzen sind, wahrnehmen was ihm guttut oder nicht.

Mir ist es manchmal schwergefallen, mein Leben selbst in die Hand zu nehmen, es war leichter, mich als Opfer zu fühlen. Aber wenn ich tief in mich hineingehorcht habe, hat mir eine innere Stimme gesagt: Du kannst dich immer wieder neu entscheiden, inwieweit du dich ins Hamsterrad einspannen lässt. Ich weiß, das ist nicht einfach, wenn man zum Beispiel zwei Jobs zum Überleben braucht, oder in einem System arbeitet, wo kündigen der einzige Ausweg aus dem Hamsterrad zu sein scheint. Meine Erfahrung ist, es gibt immer mehr als nur eine Lösung und oft überraschend viel Spielraum für unkonventionelle Ideen. Mich hat es Mut gekostet eine Zeit lang nur 80% zu arbeiten. Ich hatte weniger Geld aber dafür mehr Zeit für die Familie und meine Hobbys.

Gott sei Dank gibt es Menschen, die so denken wie der Unternehmer mit den Stoff-Hamstern, der seinen Mitarbeitern humorvoll zeigen will, dass sie ihm wichtig sind und er sich für sie mitverantwortlich fühlt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35055
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