Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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21MRZ2022
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In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Vereinten Nationen gegründet. Die Welt stand unter Schock. Es hatte nicht nur in Europa entsetzliche Gräueltaten gegeben. Alle wollten, dass so etwas nie wieder passiert. Die Menschen weltweit wollten in Zukunft in Frieden miteinander leben.

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte wurde verabschiedet. Ich habe sie als Schüler in den 70er Jahren kennengelernt. Seither war sie für mich selbstverständlich und gottgegeben. Dazu hat in meine Welt ein Abschnitt aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinden in Galatien gepasst, er schreibt: „Nun seid ihr alle zu Kindern Gottes geworden, weil ihr durch den Glauben mit Jesus Christus verbunden seid. … Jetzt ist es nicht mehr wichtig, ob ihr Juden oder Griechen, Sklaven oder Freie, Männer oder Frauen seid: In Jesus Christus seid ihr alle eins.“.
Für mich war klar: Menschenrechte gelten ausnahmslos und immerwährend für alle Menschen. Ich war überzeugt: Wir sind eine große Menschheitsfamilie.

Ich war so naiv und habe geglaubt, dass dies auch die Grundlage internationaler Politik sei. Aber es scheint heute so, als sei das Ziel, eine weltweite Friedensordnung zu gewährleisten, nur eine fromme Absichtserklärung.
Die Menschenrechte sind nicht gottgegeben, sondern das Ergebnis geschichtlicher Erfahrungen. Sie werden immer wieder missachtet. Ich muss erkennen, rassistisch und religiös motivierte Gräueltaten sind nicht aus der Welt, sie nehmen sogar zu. Auch der Slogan „Nie wieder Krieg“ hat sich, einmal mehr, über Nacht in Luft aufgelöst. Der Nährboden, auf dem das gedeihen kann, findet in den Köpfen von verunsicherten Menschen statt. Wer Macht ausüben will, kann das leicht missbrauchen, indem er einen übertriebenen Stolz auf ein bestimmtes Merkmal setzt, mit dem man sich leicht identifizieren kann: auf Sprache, Hautfarbe, Nation oder Religion. In Bevölkerungsteilen, die sich benachteiligt fühlen, funktioniert das besonders gut. Sündenböcke werden gesucht. Die finden sich schnell in noch schwächeren Gruppen. Für mich ist das unbegreiflich. Jede rassistisch motivierte Tat schockiert mich. Wehrlose Menschen werden unterdrückt, vertrieben, verletzt oder sogar getötet.

Als Christ setze ich mich dafür ein, dass Paulus Worte wahr werden können. „Ihr seid alle eins.“ Wir sind alle gleich, unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Anschauung, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand.
Ich bete dafür, dass dies in Zukunft nicht mehr ausdrücklich aufgezählt werden muss, sondern selbstverständlich ist.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35053
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