SWR2 Wort zum Tag

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17MRZ2022
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Der Frühling steht vor der Tür. Da zieht es mich nach draußen, wo alles aus dem Boden sprießt. So sehr ich mich darüber freue, weiß ich auch, dass ich nun im Garten einiges zu tun habe: Die vertrockneten, abgestorbenen Teile wegschneiden, den Boden lockern, Unkraut entfernen, damit das neue Grün Platz hat. Und auch in der Wohnung kann so ein Frühjahrsputz nicht schaden. Es gehört nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen, aber ich mache immer wieder die Erfahrung: Aufräumen tut gut. Auch das innerliche Aufräumen – sozusagen der Frühjahrsputz für die Seele.

Mein seelischer Frühjahrsputz beginnt damit, dass ich - bildlich gesprochen - erst mal die Fenster weit aufmache und wahrnehme, welche Gefühle und Erinnerungen in mir hochkommen. Möglichst unzensiert. Da ist viel Gutes, es können aber auch unangenehme Erlebnisse sein, z.B. Situationen, wo ich mich ausgeschlossen gefühlt habe, oder manche Seiten, die ich an mir selbst nicht mag. Wie beim gründlichen Aufräumen liegt dann alles erst mal offen da. Das ist wichtig. Nichts soll unter den Teppich gekehrt werden. Dann überlege ich: Wo ist in meinem Innern ein guter Platz - etwa für die Erinnerungen an Menschen, denen ich viel verdanke. Oder für schöne Erlebnisse, aus denen ich immer noch Kraft schöpfen kann. Bei diesem inneren Aufräumen entdecke ich auch, dass mich bestimmte Themen immer wieder einholen. Alte Verletzungen, die nicht so recht heilen wollen. Ich spüre, dass dies meine Lebensenergie einschränkt und ich nicht so leben kann, wie ich eigentlich möchte. Wenn ich will, dass sich daran etwas ändert, dann muss ich mich diesen Erfahrungen stellen. Ich brauche dafür Zeit. Erst mal für mich allein, ich geh dann etwa spazieren oder schreibe Tagebuch. Und dann tut es mir auch gut, wenn ich mit jemandem, der aufmerksam zuhört, darüber reden kann. Ein vertrauter Mensch oder auch eine gute Seelsorgerin oder ein Seelsorger. Das hilft mir, Ordnung in meiner Seele zu schaffen.

Frühjahrsputz für die Seele ist Seelsorge für mich selbst. Das darf nicht zu kurz kommen, gerade auch dann, wenn ich für andere da sein will. Es hilft mir zur inneren Klarheit und ich merke, dass es neue Energien freisetzen kann - der Frühling kann jetzt in meiner Seele einziehen. 

 

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