SWR2 Wort zum Tag

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16MRZ2022
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14 Tage sind schon geschafft im Marathon auf Ostern zu. Die Fastenzeit jedes Jahr ist eine Art Training, um entschiedener das große Ziel ins Auge zu fassen, jedes Jahr tiefer. Aber was eigentlich ist das Attraktive daran, warum sich darauf ausrichten und dafür anstrengen? Für mich gibt es da ein Schlüsselerlebnis, das mein Denken verändert hat.  Es war vor Jahren im heiligen Ghom, damals gab es den ausgeprägten Iran-Tourismus noch nicht. Der ungemein sympathische Ajatollah sang zu unserer Begrüßung ein Loblied auf Jesus. Wir waren völlig überrascht. Dankbar unterstrichen wir, wie wichtig es für uns Christen ist, dass dieser Jesus bis zuletzt durchgehalten hat. Er stand für Gottes Liebe ein bis zum Tod am Kreuz. „Ja, ich weiß“, sagte der Ajatollah, „aber das glauben wir nicht. Denn Allah lässt seine Propheten nicht hängen.“

Unvergesslich ist mir dieser Augenblick, und immer noch kriege ich eine Gänsehaut. Ja, das glauben wir Christen auch, dass Gott seine Leute nicht hängen lässt. Das nennen wir Auferweckung oder Auferstehung. Aber es gibt für uns kein Ostern ohne Karfreitag. Damit steht und fällt das Ganze. Jesus ist der verwundete Heiland, nicht an Gewalt und Leid vorbei, sondern mitten hindurch, auf der Seite der Opfer. Im Kreuzweg Jesu wird deutlich, wie sehr sich Gott selbst dem brutalen Ausmaß von Gier und Gewalt stellt. Er macht es durch wortwörtlich und bricht der Macht des Bösen das Kreuz – schon dadurch dass er es ans Licht bringt. Ja, Gott lässt die Seinen nicht hängen, und Jesus ist sein Zeuge – und so viele seitdem und zuvor. Er nimmt das Leiden an, das aus dem Kampf gegen das Leiden erwächst. Ja, Gott lässt die Seinen nicht hängen. Welch eine Osterfreude dann sogar schon am Karfreitag.  Die Auferweckung Jesu ist der definitive Durchbruch: ein Leben ohne Gier und Gewalt ist wirklich möglich geworden, erst in der Versöhnung kommen wir ans Ziel, diesem Jesus nach „durch Leiden und Kreuz zur Herrlichkeit“. Aber solche Liebe ist riskant, Gewaltverzicht und Feindesliebe erst recht. Oft ist es ein Kampf und ein Kreuz. So lernen wir im Namen Jesu und seiner Auferstehung, worauf es ankommt und worauf wir hoffen. Wir lernen den österlichen Sieg über Gewalt und Gier. Es ist wahr: Gott lässt die Seinen nicht hängen.

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