SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

06MRZ2022
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Endlich wieder Sonntag. Freie Zeit für mich. Wenigstens einen Tag lang. Ein Tag. Ist das nicht zu wenig? Bei all den vielen Herausforderungen und dem Stress momentan. Den immer wieder neuen weltpolitischen Schreckensmeldungen.

Hand aufs Herz. Wann haben sie sich zum letzten Mal sogar mehr als fünf Wochen lang nur von ihren Gedanken treiben lassen? Wann waren sie einfach mal für längere Zeit weg? Nicht erreichbar? Offline! Oder andersherum gefragt: Wann hat man Ihnen gestattet, sich so lange vom Alltag und all seinen Verpflichtungen abzuseilen? Heute wird im katholischen Gottesdienst ein Text aus der Bibel vorgelesen, der erzählt wie Jesus sich das einmal so richtig genehmigt hat. Viel freie Zeit. Die Geschichte erzählt von 40 Tagen seiner Auszeit in der Wüste.

Jesu Auszeit hatte Tradition. Im Alten Testament wird oft erzählt wie fromme Menschen alleine in die Wüste gehen, um mit Gott in Kontakt zu kommen. Um sich vorzubereiten auf wichtige Entscheidungen. Immer ging es ihnen darum, in der Stille hören zu können, was Gott ihnen zu sagen hat. Weil wir es eben nicht immer allein und selber wissen, was gut für uns ist. Doch Jesu Wüstenzeit war eine echte Herausforderung. Vierzig Tage und vierzig Nächte ohne Nahrung. In der faden und leblosen Wüste. Isoliert. Wie in Quarantäne. Die Begegnungen, die er da hatte, waren so ganz anders, als von ihm erwartet. Es war eine Zeit voller Versuchungen für ihn, meint die Bibel.

Was fällt ihnen eigentlich alles bei dem Wort „Versuchung“ ein, liebe Hörerinnen und Hörer. Sicher doch mehr als eine Schokoladenmarke, die lange Zeit als die zarteste Versuchung seit es Schokolade gibt, beworben wurde. Bei einer Versuchung ist irgendetwas faul, obwohl sie durchaus attraktiv und verlockend daherkommt. Doch im Grunde widerspricht sie dem was ich, wenn ich ehrlich bin, wirklich möchte. Der Theologe Dietrich Bonhoeffer schrieb einmal, Versuchungen des Bösen erscheinen immer „in der Gestalt des Lichtes, der Wohltat, der Treue … und des Gerechten“ und sie seien für die Menschen, die sie durchschauen, „Bestätigung einer abgründigen Bosheit.“ So abgründig, dass sie als etwas erlebt werden, das nicht zu mir gehört. Etwas, das mir wie eine fremde Person gegenübersteht.

In den Sonntagsgedanken geht es heute um einen 40 tägigen Aufenthalt Jesu in der Wüste. Die Bibel erzählt davon und meint es sei eine Zeit voller Versuchungen für Jesus gewesen. So versucht es der Versucher bei Jesus mit allen Mitteln seiner boshaften Kunst. Er fordert Jesus auf seinen Anspruch und seine Beziehung zu Gott radikal zu hinterfragen. Er spielt mit lukrativen Verlockungen und begründet sie noch scheinheilig mit Zitaten aus der Bibel. So soll sich Jesus doch einmal als Wundertäter so richtig in Szene setzen. Steine soll er zu Brot verwandeln. Das könne er doch. Weltliche Macht könne er haben. Die einzige Bedingung sei, vor ihm, dem Versucher, in die Knie zu gehen und ihn anzubeten. Der Gipfel ist dann die Aufforderung des Versuchers, Gott mal so richtig zu provozieren und zu prüfen. Von der hohen Tempelmauer in Jerusalem soll er springen. Gott werde ihn schon retten.

In unserer Geschichte ist buchstäblich der Teufel los. Doch Jesus hat sein böses Spiel durchschaut. Die abgründige Bosheit. Jesus weiß tief in seinem Herzen was er will. All diese Verlockungen machen ihn eher entschiedener, wenn es ihm um seinen Gott und seine Treue zu ihm geht. 40 Tage. Durchquerung einer Wüste. Die Wüste ist wie ein innerer Weg, den auch ich immer wieder einschlagen muss.

Endlose Wüstenzeiten haben wir alle schon erlebt und erlitten. Sie sind kein Honigschlecken. Wenn sich Sicherheiten verflüchtigen und mir nichts mehr Halt bietet. Die Isolation der Corona Jahre zum Beispiel. Die Wüstenzeiten einer langen Erkrankung. Eine gescheiterte Beziehung und die Folgen der Einsamkeit. Die Jahre einer nicht enden wollenden Depression. In Wüstenzeiten werde ich zwangsläufig mit mir selbst konfrontiert. Bin alleine. Mit meinen Gedanken. Suche nach Halt und Orientierung. Werde geprüft von fadenscheinigen Versprechungen und Verlockungen, die so attraktiv daherkommen und die, wenn ich sie nicht durchschaue, nur böse Überraschungen bereithalten.

Auch die jetzt beginnende Fastenzeit bis Ostern ist eine Chance einen inneren Weg zu gehen, um meine Beziehung zu meinen Mitmenschen und meinem Gott neu auszuloten. Um all die vielen Verlockungen des Lebens, die so vielversprechend daherkommen, zu durchschauen, zu bewerten und zu überprüfen. Jesus hat diese Zeit überstanden. Innerlich gefestigt und entschieden ging er seinen Weg. Immer seinem Gott und den Menschen verbunden. Ganz treu. 

Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit der Vorbereitung auf Ostern zu. Auch durch Wüsten hindurch. Aber jetzt erstmals einen gesegneten Sonntag.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34998
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