Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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10MRZ2022
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Ich gebe zu, auch ich habe mir in den letzten Monaten des Öfteren die Frage gestellt, ob ich nicht aus der katholischen Kirche austreten sollte. Ob es nicht das eindeutigere Zeichen ist zu sagen: Mit diesem verlogenen Haufen will ich nichts mehr zu tun haben. Ich habe mich entschlossen, es nicht zu tun. Aus zwei Gründen:

Zum einen: Ob ich will oder nicht, diese Kirche ist meine Heimat. Seit meiner frühesten Jugend engagiere ich mich in ihr, erst ehren- und dann hauptamtlich. Schon über 50 Jahre lang. Und ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass das keine guten Jahre waren. Ich bin hier tollen Menschen begegnet – auch Priestern, die mir Vorbild wurden. Wobei ich ganz klar sagen muss, ich hatte das Glück, nie selbst Missbrauch erlebt zu haben. Umso geschockter bin ich über das, was alles ans Licht kommt. Und immer wieder frage ich mich: „Wieso habe ich davon nichts gemerkt?“ Eine Frage, die mich nicht mehr loslässt.

Der zweite Grund warum ich bleibe, ist dieser Jesus von Nazareth und seine Botschaft. Denn die ist immer noch phantastisch: Alle Menschen sind Kinder Gottes. Alle sind Brüder und Schwestern. Und Gottesdienst, Gott dienen heißt: Sich um den zu kümmern, dem es schlecht geht. Alles andere muss sich dem unterordnen. Ich weiß, dass diese meine Kirche oft nicht nach dieser Botschaft handelt, sie geradezu auf den Kopf stellt. Sich – um es theologisch auszudrücken – an der Botschaft Jesu versündigt. Und deshalb muss sie in Sack und Asche gehen und sich grundlegend ändern. Aber trotz all ihrer Sünden hat sie in der Geschichte dazu beigetragen, dass man auch heute noch - nach 2000 Jahren - von diesem Mann aus Nazareth erzählt. Natürlich nicht allein, sondern zusammen mit vielen andern Geschwisterkirchen. Und bei diesem großen Erzählen der Geschichten des Jesus von Nazareth will ich mitmachen, will ich mit erzählen – auch und gerade in meiner Kirche.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34994
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