SWR2 Wort zum Tag

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12MRZ2022
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Endlich Wochenende! Ich freu mich drauf. Zwei Tage lang Zeit für mich, Freunde und Familie. Die Arbeit hat erst mal Pause. Ich widme mich dem Müßiggang – schlafe aus, gehe Tennis spielen und besuche einen Freund, den ich schon lange nicht mehr gesehen habe. Ich mache einfach, worauf ich Lust habe. Dafür habe ich unter der Woche wenig Zeit. Da bin ich wahrscheinlich nicht der Einzige. Wenn ich mich in meinem Freundes- und Bekanntenkreis umschaue, scheint mir das Leben vieler Menschen doch ziemlich durchgetaktet. Hohe berufliche Belastung, dann vielleicht noch Kinder oder Eltern versorgen und auch die Ansprüche an die Freizeitgestaltung sind oft hoch. Da ist Zeit ein rares Gut. Ich arbeite gern und finde es toll, eine Familie zu haben. Was ich aber nicht so leiden kann, ist Stress. Und dabei spielt das Verhältnis von Arbeit und Freizeit eine wichtige Rolle.         

Andererseits: Ich lebe in Schwaben. Da gilt Fleiß als Tugend, nicht der Müßiggang. Und außerdem ist Faulheit bzw. Trägheit in der Tradition der Kirche eine Todsünde. Was nichts anders heißt, wie: Der Faule verlässt durch sein Nichtstun die Gemeinschaft mit Gott. Gott liebt nur die Fleißigen.

In den vergangenen Jahren gab es in Island ein Projekt, bei dem ein Teil der Bevölkerung bei gleichbleibender Bezahlung zeitlich weniger gearbeitet hat. Das Ergebnis kurz zusammengefasst: gleiche Produktivität, aber gesteigertes Wohlbefinden. Die Menschen haben sich offensichtlich besser gefühlt: mehr Zeit, weniger Stress. Ich finde, man sollte über solch neue Konzepte auch bei uns ernsthaft nachdenken. Und ich glaube, auch Gott hätte da nichts dagegen. Er selbst ruht sich nach der Erschaffung der Welt aus. Zugegeben, es wird nur von einem einzigen Tag berichtet. Aber immerhin wird dieser Tag gesegnet. Herausgestellt aus dem Alltag der restlichen sechs Tage. Und allgemein bewertet die Bibel Ruhe an vielen Stellen positiv. Jesus nimmt sich immer wieder Zeit für sich, zieht sich zurück, betet und schläft. Das wird ausdrücklich erwähnt. Und es wird auch oft davon berichtet, dass er ausgiebig isst, trinkt und mit seinen Freunden feiert. Nein, ich kann wirklich nicht erkennen, dass die Bibel Müßiggang grundsätzlich verurteilt. Vielmehr versucht sie, Menschen zu einem guten Leben zu verhelfen. Und dazu gehört für mich heutzutage auch angemessen viel Freizeit.

Ich freu mich drauf. Endlich Wochenende! Und vielleicht sage und höre ich in Zukunft noch öfter: Endlich ein gutes und entspanntes Leben – die ganze Woche lang.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34973
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