SWR2 Wort zum Tag

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10MRZ2022
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219a. Wohl kaum ein Paragraf im Strafgesetzbuch wurde in den vergangenen Monaten in der Öffentlichkeit heftiger diskutiert. Der Paragraf regelt das Werbeverbot für Abtreibungen. Er untersagt es Ärztinnen und Ärzten umfangreich über Abtreibungen zu informieren, zum Beispiel auf ihrer Homepage. Denn als Werbung gilt unter anderem schon, wenn Ärzte über unterschiedliche Methoden informieren, die sich zur Abtreibung anbieten. Nun soll der Paragraf weg, so steht es im Koalitionsvertrag der Bundesregierung. Politikerinnen oder Kirchenvertreter haben ihre Sorgen geäußert. Befürchtet wird unter anderem, dass sich ohne den Paragraphen mehr Frauen für eine Abtreibung entscheiden. Wohlgemerkt geht es beim Paragraf 2019a erst mal um Informationen, nicht um die Abtreibung selbst. Deshalb teile ich diese Sorgen auch nicht.

Ich kann als Mann natürlich nicht nachempfinden, wie es ist, ungewollt schwanger zu sein, über eine Abtreibung nachzudenken. Aber ich bin mir trotzdem ziemlich sicher: Keine Frau macht das mal einfach so. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Frau einen Flyer in einer Arztpraxis sieht und sich denkt: Ach ja, Abtreibung, stimmt, gute Idee eigentlich. Oder sich beim Durchlesen unterschiedlicher Abbruch-Methoden ganz plötzlich ein Sinneswandel vollzieht. Ich denke, wer sich überhaupt mit Abtreibung beschäftigt, ist verzweifelt und in Not. Da benötigt es Unterstützung und keine Informationsbarrieren.  In der Bibel wird oft darüber berichtet, dass Jesus Menschen in Not geholfen hat – gerade auch Frauen, die zu seiner Zeit wenig Rechte hatten. Er hat ihnen weitergeholfen, sie beraten, ihnen zu Anerkennung verholfen. Er war für sie da. Er hat Verzweifelten Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt. Hilfe in der Not – dafür steht Jesus. Und ich finde, darum sollten wir uns auch bemühen. Für mich gehört dazu, dass sich verzweifelte Frauen umfassend und ohne Scham über Abtreibung informieren können, möglichst niedrigschwellig, zum Beispiel durch leicht auffindbare schriftliche Informationen. Vielleicht hilft das der ein oder anderen auch, sich jemandem anzuvertrauen. Denn das ist sicher auch wichtig: Die Lage mit jemandem besprechen. Deshalb sollten auch professionelle und vertrauenswürdige Ansprechpartnerinnen leicht zu finden sein. Natürlich ist es damit nicht getan. Die Informationsfreiheit ist nur ein Aspekt in einer komplexen Debatte um Abtreibung. Aber ich glaube, dass ein vernünftiges Informationsangebot unterstützend wirken kann. Das ist Hilfe in der Not, wie Jesus sie vorgelebt hat. Deshalb finde ich es gut, dass der Paragraf 219a abgeschafft werden soll.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34971
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