SWR1 Begegnungen

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06MRZ2022
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Ildiko Reiser Credit: Lukas Wahl/Greenpeace

Mit Ildiko habe ich studiert und bin überrascht, was aus ihr geworden ist. Sie hat ein Kinderbuch geschrieben und arbeitet als Pressesprecherin für Greenpeace. Ihr Themengebiet ist der Frieden. Das macht mich neugierig und ich rufe bei ihr an und sie erzählt mir, wie es dazu kommt:

„Ich hab ja Medienwissenschaft studiert und dann noch interkulturelle Kommunikation und deswegen war es mir wichtig dann in meinem Beruf beide Bereiche zu vereinen. Und deswegen habe ich grundsätzlich nach dem Studium erst mal bei einer Menschenrechts- und Hilfsorganisation angefangen und bin da viel gereist auch…“

Diese Reisen haben sie nachhaltig geprägt. Unter anderem ist Ildiko auch in der Region Bergkarabach gewesen, zwischen Armenien und Aserbaidschan. Dort bricht immer wieder Krieg aus.

„Mich hat das damals total berührt, als ich dort war, zu sehen, wie die Menschen da leben. Dann dachte ich irgendwie okay, Frieden, das ist irgendwo so wichtig. Und das ist so der Bestandteil von allem. Und dann hat mich das einfach angesprochen in so einem neuen Friedensteam zu arbeiten.“  

Wie Ildiko von ihren Reisen erzählt, wird mir klar, dass Ildiko ein Mensch ist, der andere unterstützen möchte. Und es scheint so, als ob das schon früh bei ihr angefangen hat:

„Also ich bin früh in die Kinderkirche gegangen. Für meine Mutter war irgendwie klar, dass man andere Menschen unterstützt. Ich habe als kleines Kind mit meiner Cousine, haben wir so Stofftiere genäht und die dann verkauft und dann den Erlös an Tierheime gespendet. Für mich war dann irgendwie recht schnell klar, dass ich auch beruflich eben in die Richtung gehen möchte, was Sinnvolles anzufangen und ich glaub, das ist ja auch recht typisch für unsere Generation, so diese Sinnfrage sich zu stellen und einfach ein bisschen was mitgeben zu wollen.“

Typisch? Vielleicht. Wir sind uns beide jedenfalls einig, dass wir nicht um des Geldes Willen arbeiten möchten. Deshalb bedeutet sinnvolle Arbeit für uns, sich zum Beispiel für ein menschliches Miteinander einzusetzen oder die Natur zu erhalten. Also auf praktische Art und Weise christlich zu sein. Ich erlebe Ildiko als jemanden mit einer klaren Haltung und Meinung auch in Sachen fremde Kulturen. Und das hat damit zu tun:

„Einerseits war es so, dass ich selber einfach nicht typisch deutsch aussehe und in der Kindheit, in so einem schwäbischen Dorf doch öfters mal angesprochen wurde. Dann hab ich noch einen recht merkwürdigen Vornamen für viele, der auf jeden Fall nicht Deutsch ist. Als Kind findet man das ja grundsätzlich erstmal blöd, wenn man anders ist und wenn man irgendwie auffällt oder wenn die Leute sagen: Ich kann deinen Namen nicht aussprechen. So und dieses Anderssein oder ja darauf angesprochen werden, war einfach, was mich dazu bewegt hat, mich mehr mit meinen Wurzeln auch auseinanderzusetzen.“      

Und die liegen zum Teil in Ungarn. Deswegen auch ihr ungarischer Vorname. Das Anderssein hat sie nachhaltig geprägt und sensibilisiert. Deshalb begreife ich immer mehr: Ildiko ist wichtig, dass sich Menschen verstehen, und dafür setzt sie sich eben ein. Dafür braucht es Offenheit. Sie findet es wichtig offen zu sein und sich nicht zu verschließen. Offen für Neues das anders ist, wie man es kennt.

 

Ildiko Reiser ist Anfang 30 und hauptberuflich Pressesprecherin bei Greenpeace für das Themengebiet Frieden. In ihrer Freizeit schreibt sie aber auch für eine ganz junge Zielgruppe: Sie hat ein Kinderbuch geschrieben. Der Titel: „Wie Igel Kunibert die Angst verlor“ und darum geht’s: Kunibert ist ein kleiner Igel, dem die kalten und nassen Tage zu schaffen machen. So sehr, dass er Angst hat, nie wieder glücklich zu werden, aber dann begegnet ihm eine Maus.

Dadurch, dass bei mir in der Familie einfach jemand ne schlimme Krankheit dann noch hatte, hab ich halt selber gemerkt, wie mir das so zusetzt und hab dann mit vielen Leuten gesprochen und daraufhin ist dann irgendwie so dieser Igel Kunibert zu mir gekommen… sag ich mal.“

Ildiko Reiser ist ein Mensch, der sich nicht unterkriegen lässt. Sich „einzuigeln“ ist deshalb für sie keine Option. Deswegen trifft Igel Kunibert auch Maus Milla. Und diese versucht ihm mit seiner Angst zu helfen.

Und ich glaub, das ist auch was, was man lernen kann. Wir sind ja auch in der Gesellschaft so geprägt zu sagen: Ich weiß schon alles, oder ich darf keine Schwäche zeigen. Und das lernt Kunibert ja dann doch. Das, wenn es ihm nicht gut geht, wenn man vielleicht Ängste hat, wenn man verzweifelt ist. Das es da ganz viele Hilfsmittel gibt. Und es war auch so was, was ich so die letzten Jahre lernen durfte durch die Corona-Krise,… dass man da auch auf sich achten muss, und dass man auch Hilfe annehmen darf von anderen. Und dass es ganz wichtig ist, dass man auch offen dafür ist.

Im Prinzip beschreibt das das christliche Menschenbild ganz gut: Ich bin nicht perfekt, ich bin ein Mensch und mache Fehler und das darf ich auch. Viel wichtiger ist, dass wir uns als Menschen gegenseitig helfen können.  Mich fasziniert, wie Ildiko Reiser mit schwierigen Situationen umgeht. Und es dann sogar noch schafft über ein Kinderbuch ihre Erfahrungen und Einsichten weiterzugeben, um etwas Positives zu bewirken. Und dann ist da auch noch ihr Job bei Greenpeace, in dem sie ja ständig als Pressesprecherin mit Problemen zu tun hat. Das stelle ich mir zermürbend vor. Und doch erlebe ich sie als einen sehr positiv eingestimmten Menschen. Ich frage mich, woher sie die Kraft und Zuversicht nimmt?

„Ich sehe unglaublich viele Ehrenamtliche, die sich engagieren. Ich sehe, wie man politisch was erreichen kann. Ich sehe, wie Leute zusammenhalten. Und das gibt mir eigentlich Hoffnung, dass es mehr Menschen gibt, die an das Gute glauben und die für andere da sein wollen und die Herzenswärme in sich tragen, als die, die eigentlich genau das Gegenteil wollen und Zerstörung wollen. Die sind zwar manchmal lauter, aber die sind nicht erfolgreicher.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34969
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