SWR1 Begegnungen

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13FEB2022
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Georg Wenz

Peter Annweiler trifft Georg Wenz, Weltanschauungsbeauftragter der ev. Kirche der Pfalz

Teil 1: Wertschätzen und Warnen  

Eine schwerkranke Frau zahlt viel Geld für eine „garantierte“ Heilung. Ein Mann spricht ständig vom Teufel. Ein Impfgegner wittert hinter allem Verschwörungen. Manchmal schließen sich Menschen auf der Suche nach spiritueller Orientierung umstrittenen Gruppen und Meinungen an. Georg Wenz kommt in Kontakt ihnen.

Als Weltanschauungsbeauftragter kümmert man sich um religiöse Gruppierungen, früher gabs häufig noch den Ausdruck „Sekten“. Aber man kümmert sich um Gruppen, die zumindest im Verdacht stehen, dass sie auf Menschen eine nicht sehr positive Wirkung haben.

Er weiß: Manchmal hat Religion „Risiken und Nebenwirkungen“. Und damit beschäftigt sich  der 58jährige Theologe. Gar nicht so leicht finde ich das: Einerseits andere auf ihrem religiösen Weg zu akzeptieren und ihnen nicht von oben herab „reinzureden“. Und andererseits auch im Blick zu haben, wenn ein Weg gefährlich wird. Die Balance zwischen Wertschätzen und Warnen ist eine Herausforderung. Doch Georg Wenz hat da ein Kriterium:

Einer meiner theologischen Lehrer, Fulbert Steffensky, sprach immer von der Lebensförderlichkeit. Das heißt: Für mich ist tatsächlich die Grenze dort erreicht, wo Religion toxisch wird, wo sie Menschen in Abhängigkeiten bringt.

Im guten Sinn hilft Religion zum Leben. Sie hält das Leben offen für Gott und für andere. Doch wenn aus dieser Offenheit eine geschlossene Welt-Anschauung wird, wenn Menschen sich von andern abkapseln, dann ist es in wichtig, auch vor den Folgen für andere zu warnen.

Diese toxische Form, diese Form von – ich würd` sie gar nicht Religiosität nennen, - Sondern tatsächlich Abhängigkeit – und insbesondere dann, wenn es auch um Kinder geht – da sind für mich klare Grenzen erreicht, wo ich sehr deutlich dann dagegen Stellung beziehe.

Weltanschauungsbeauftragte in den Kirchen haben den Auftrag, zu beraten und zu begleiten. Deshalb haben sie gemeinsam eine „Spirituelle Apotheke“ ins Netz gestellt, wo man sich über Risiken und Nebenwirkungen informieren kann. – Ein interessantes Bild, finde ich: Theologen als Apotheker, bei denen Ratsuchende informiert werden und über Heilungswege ins Gespräch kommen. Bei Georg Wenz geht’s da schnell um viel mehr als um Informationen.

Uns wird ein Vertrauen entgegen gebracht und man weiß auch, dass Seelsorge in der Kirche nicht bedeutet, dass auf die Uhr geguckt wird und nach zwanzig Min abgebrochen, sondern dass man für jemand auch längerfristig da ist. Und entsprechend werden wir eben auch in sehr private Situationen mit hineingenommen.

Teil 2: Pandemie und Weltanschauung

Manchmal wird der 58jährige Pfarrer da ganz schön herausgefordert:

Gerade aus einem missionarischen Drive heraus werde ich häufig auch angerufen von Personen, die mit ihrer „Predigt“ sozusagen beginnen und erst auf Nachfrage überhaupt merken, dass hier eine Person am anderen Ende ist, die ein Gespräch möchte und keinen Monolog.

In einem solchen Gespräch geht es darum Anteil zu nehmen und auch bereit zu sein, die eigene Sicht zu erweitern. Doch das scheint zunehmend schwierig zu werden – manchmal sogar unmöglich: Für viele sind zum Beispiel Impffragen auf einmal mit „Glaubensbekenntnissen“ verbunden. Irgendwie kommt da eine Leidenschaft ins Spiel, die in den letzten Jahren in unserem Land verschwunden schien. Georg Wenz trifft oft auf solchen Eifer.

Dann kann man schon feststellen, dass die Gegner von Coronamaßnahmen häufig ein sehr stark ausgeprägtes Bekehrungselement haben, d.h. wenn man das übersetzt in die Familien hinein, dann kann man sich ausmalen, wie heftig teilweise die Gespräche und Diskussionen sind, zumal Argumente dann häufig nicht mehr greifen.

Wenn etwa Verschwörungstheorien Argumente ersetzt haben, wird es schwer, Menschen zu erreichen. Auch und gerade, wenn sie einem ganz nahestehen.

Wie ist es möglich, dass, wenn jemand für Argumente nicht mehr zugänglich ist, trotzdem zu signalisieren: Das was, du von dir gibst, das kann ich nicht teilen, aber als Person bist du mir wichtig.

Es zählt nicht allein das, was du sagst oder tust, sondern wer du bist. Das ist manchmal eine große Herausforderung. Etwa, wenn ein runder Geburtstag ansteht und bei der Feier Ungeimpfte und Geimpfte zusammenkommen sollen. 

Dann kann es auch gelingen zwischen Partnern oder zwischen Eltern und Kindern oder auch zwischen Geschwistern – dass dann in solchen Konfliktfeldern es tatsächlich möglich wird, respektvoll miteinander umzugehen und auch wieder Wege zu finden, weiter zusammen zu leben, obwohl man politisch sich doch sehr von einander entfernt hat.

Versöhnlich miteinander leben, das ist es ein zentrales christliches Motiv. Zu unterscheiden zwischen dem, was ein Mensch sagt und macht und dem, was davon ganz unberührt bleibt: Er bleibt ein Mensch, den Gott liebt. Wenn wir einander so begegnen, dann kann ich eine unterschiedliche Meinung haben und trotzdem zugewandt bleiben. Ich kann anderen auch auf der Basis der Differenz begegnen.

Im Gespräch mit Georg Wenz habe ich gelernt: Gerade weil er die „Risiken und Nebenwirkungen“ von Religion kennt, hält ein Weltanschauungsbeauftrager solche Begegnungsräume offen. Und das ist gut so.

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Mehr Infos zur Spirituellen Apotheke der Weltanschauungsbeauftragten
www.spirituelle-apotheke.de

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34842
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