Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

15FEB2022
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Manchmal sieht man es Menschen nicht an, was in ihnen steckt.
Das habe ich neulich gedacht, als ich in einem klassischen Konzert war. Obwohl ich normalerweise Rock und Jazz höre, war ich begeistert. Das Streichorchester war toll und hat mich richtig bewegt und mitgerissen. Ein echter Lichtblick mitten im Corona-Winter.

Interessant fand ich: Den wenigsten der Musiker hat man ihr Talent angesehen. Hätte ich sie auf der Straße getroffen, hätte ich auf Pizzabäcker, Lehrerin, Banker oder Schlosser getippt.

Ich denke: Nicht nur Musiker, jeder Mensch trägt so ein Talent in sich. Eine Gabe, die man auf den ersten Blick vielleicht gar nicht sieht. Etwas, das er oder sie von Gott bekommen hat, um die Welt ein bisschen heller zu machen. Und es wäre schade, wenn dieses Talent ungenutzt bleibt.

Davon handelt auch eine Geschichte, die Jesus einmal erzählt hat (Matthäus 25,14-30): Da geht ein reicher Mann für längere Zeit ins Ausland. Bevor er abreist, gibt er jedem seiner drei Angestellten einen Teil seines Vermögens. Sie sollen was draus machen. Zwei der Angestellten nutzen das, was sie bekommen haben und vermehren es. Der dritte Angestellte vergräbt es und lässt es ungenutzt.

Ich denke, Jesus will damit sagen: Jeder Mensch bekommt von Gott ein Talent: Der eine ist zum Beispiel einfühlsam, die andere kann gut organisieren, der eine ist kontaktfreudig, die andere musikalisch. Es gibt keinen Menschen, der nicht irgendetwas gut kann. Jede und jeder hat eine besondere Gabe. Wichtig ist nur, dass man sie auch nutzt. Dass man sie einsetzt, um die Welt ein bisschen heller zu machen.

Aber was hindert einen Menschen daran, seine Gaben zu nutzen? Ich glaube: Man lässt seine Gaben vor allem ungenutzt, wenn man sich mit anderen vergleicht. Wenn man Angst hat, dass, das, was man selbst gut kann, andere noch besser können. Oder wenn man hat Angst etwas falsch zu machen oder ausgelacht zu werden. Ich finde, man sollte sich von solchen Gedanken aber nicht entmutigen lassen. Schließlich wird es immer jemand geben, der es besser kann.

Bei dem klassischen Konzert gab es auch einen Solisten. Ein jungen Geiger, der unglaubliche Sachen auf seiner Violine gespielt hat. Aber keiner der Orchestermusiker ist aufgestanden und gegangen und hat gesagt: „So gut wie der kann ich eh nicht spielen“. Sie waren ja auch alle wichtig. Das Konzert war toll, weil alle mitgespielt haben.
Alle sind wichtig, nicht nur im Streichorchester.

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