SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

11FEB2022
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

„Alles gut!“ Diese zwei Worte höre ich ständig. Fast sind sie ein Standardspruch geworden in allen Lebenslagen. Erst letzten Donnerstag wieder: Ich sitze gemütlich mit zwei Freunden zusammen – da kippt ein halbvolles Glas um und Apfelsaft tropft auf die Hose von Mike, dem Gastgeber. „Alles gut!“, ruft er prompt. Er springt auf, rennt in die Küche und kommt mit Lappen und Handtuch zurück. Aber Björn, der das Glas umgeworfen hat, widerspricht: „Alles gut? Es ist überhaupt nicht alles gut! Ich bin ein ungeschickter Trottel und habe Dir Deine schicke Hose ruiniert.“ Mike gibt zur Antwort: „Erstens ist die Hose nicht schick. Zweitens ist sie schon fast wieder trocken, und drittens sagt man das doch so, heutzutage, oder? Alle sagen immerzu: ‚alles gut‘!“

Warum ist das eigentlich so, frage ich mich. Wir leben doch in einer Welt, in der überhaupt nicht alles gut ist. Schon wieder hält uns Corona im Griff. Und auch zwischen uns Menschen ist längst nicht alles so gut, wie es dauernd behauptet wird. Warum sagen dann so viele Menschen so oft: ‚Alles gut‘?

Vielleicht ist das so etwas wie eine moderne Zauberformel? Je härter die Zeiten sind, desto öfter sagen wir: ‚Alles gut‘! Wir hüllen uns ein in diese Worte des Wohlbefindens. Wir legen sie um uns wie einen wärmenden Mantel in kalter Zeit. Damit schaffen wir uns unseren kleinen privaten Raum der Harmonie gegenüber der bösen, chaotischen Welt da draußen.

Aber ist das in Wahrheit Selbstbetrug? Die Illusion von Kontrolle in einer unkontrollierbaren Welt? Oder gar: Ist der Spruch das Opium des Volkes unserer Tage?

Alles gut! Ich denke mir: Eigentlich müsste das unser Spruch sein, der Spruch von Christinnen und Christen. Denn wir glauben doch tatsächlich, dass im Letzten alles gut ist. Weil Gott am Anfang die Welt geschaffen hat und dann gesagt hat: ‚Siehe, es war sehr gut‘. Und weil Jesus wieder alles gut gemacht hat, was wir Menschen so falsch machen. Im christlichen Verständnis ist der Spruch daher kein Selbstbetrug. Sondern er bringt zum Ausdruck, wie die Welt in Wahrheit ist. Und dadurch verändert sich auch unser Umgang mit der Welt. Vielleicht haben wir mehr Hoffnung, dass die Dinge zum Guten verändert werden können. Vielleicht geben wir nicht ganz so schnell auf. Und werden nicht ganz so schnell zynisch. Oder demotiviert.

Was meinen Sie: Was ändert sich, wenn Sie davon ausgehen, dass dieser Spruch im Tiefsten stimmt: Alles gut!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34820
weiterlesen...