Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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12FEB2022
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Einen Konflikt mit Waffengewalt zu lösen: Für mich als Christ kann das nie in Betracht kommen. Mehrfach betont Jesus, für wie wichtig er es hält, den Teufelskreis von Gewalt und Gegengewalt zu durchbrechen. Was er rät, klingt weltfremd und ist für uns kaum zu akzeptieren. Aber ihm ist es bitterernst. Er sagt: Wenn dich einer auf die rechte Wange, schlägt, dann halt ihm auch die andere hin[1]. Und dann sogar: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen[2].

Ich weiß, dass das in der Geschichte des Christentums selten genug beherzigt worden ist. Pfarrer haben Waffen gesegnet. Die Christen haben auf ihren Kreuzzügen ins Heilige Land und bei der Missionierung Amerikas eine grauenhafte Spur von Blut zurückgelassen. Sie haben für das Wahre gekämpft, wie sie meinten. Aber auch die Wahrheit verträgt es nicht, mit Waffen durchgesetzt zu werden. Wenn man der Gewalt entkommen will, muss einer den Anfang machen. Und darauf hoffen, dass die anderen verstehen: Wer sich bewusst wehrlos macht, der ist gar nicht schwach. Es ist ganz stark, dem anderen erst die eine und dann auch noch die andere Wange hinzuhalten. Ich weiß auch nicht, ob das in der Realität von Diplomatie und Politik funktionieren kann. Manche sagen deshalb, dass mit dem Evangelium keine Politik zu machen sei. Ja, für eine Politik, die Krieg in Betracht zieht, mag das so stimmen. Aber Politik ist mehr. Wer mit Drohungen hantiert und die Muskeln spielen lässt, verwechselt Politik mit einem Boxkampf. Ich meine, in echter, zeitgemäßer Politik muss es darum gehen, möglichst vielen Menschen ein gutes Leben zu ermöglichen, ohne anderen dabei zu schaden. Und dazu hat das Evangelium sehr wohl etwas zu sagen. Zu wissen, dass ein Christ Böses nicht mit Bösem vergelten soll, ist äußerst politisch.

Vladimir Putin fährt derzeit an der Grenze zur Ukraine ein immenses Arsenal an Waffen auf. Die NATO reagiert darauf, indem sie Russland droht und sich auf einen militärischen Konflikt einstellt. Auf einen Krieg müsste ich wohl sagen, aber das Wort macht mir Angst. Die Bilder aus der Ukraine erinnern mich an meine Jugend, als es im Kalten Krieg ein Wettrüsten in Europa gab. Ich hatte gehofft, diese Zeiten seien vorbei.

Ich weiß: Diktatoren muss man das Handwerk legen. Aber bevor man auch nur daran denkt, Waffen einzusetzen und damit den Tod vieler Menschen in Kauf zu nehmen, müssen alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, die das verhindern.

 

[1] Matthäus 5,39

[2] Matthäus 5,44

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34810
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