Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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09FEB2022
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Psychische Probleme nehmen zu. Immer mehr brechen unter der Last zusammen, die ihnen an Arbeit und Verantwortung aufgebürdet wird oder die sie sich selbst zumuten. Manche fallen in ein dunkles Loch, weil sie keinen Sinn in ihrem Leben sehen, schleppen sich von einem Tag zum nächsten. Wer keinen Partner fürs Leben findet, obwohl er sich sehr danach sehnt, zweifelt an sich selbst und verzweifelt im schlimmsten Fall. Das sehe ich alles und ich erfahre unmittelbar davon, wenn ich mit Betroffenen ein seelsorgerliches Gespräch führe.

Diese Probleme gab es alle früher auch.  Heute werden sie aber besser erkannt. Wir gewöhnen uns langsam daran, sie nicht zu verschweigen, sondern offen darüber zu sprechen. Es werden also bestimmt mehr psychische Erkrankungen als früher entdeckt und dann auch behandelt. Aber alles in allem haben diese Probleme zugenommen. Mir fällt das besonders in der Schule auf, an der ich nun seit über zwanzig Jahren unterrichte. Kaum eine Klasse, in der es nicht mindestens einen Schüler, eine Schülerin gibt, die in Therapie muss. Asperger-Syndrom, autistische Störung, einseitige Hochbegabung - das ist alles inzwischen an der Tagesordnung. Wenn die Probleme der Seele so zunehmen, dann ist das ein Alarmsignal. Irgendetwas stimmt nicht an dem, wie wir leben. Was machen wir falsch? Die Ursachen und Zusammenhänge sind kompliziert. Wie nicht anders zu erwarten, gibt es dazu jede Menge Untersuchungen. Es gibt aber auch Umstände, die für mich auf der Hand liegen. Und an denen ich und jeder etwas ändern kann. Drei von ihnen scheinen mir besonders bedeutsam.

Erstens. Wir haben zu große Erwartungen aneinander. Eltern erwarten von ihren zehnjährigen Kindern, wenn sie ins Gymnasium kommen, dass sie einmal ein gutes Abitur machen. Das ist unangemessen. Zu früh, zu viel. Und das schadet.

Zweitens. Wir machen zu viel, sind ständig in Bewegung, kommen nicht zur Ruhe. Schon Kinder haben einen gefüllten Kalender. Die schiere Menge an Aktivitäten erschlägt uns, verhindert, dass wir mit uns selbst in Einklang sind.

Drittens. Wir leben zu schnell. Und immer schneller. E-Mail, Handy, WhatsApp. Alles muss erledigt werden und sofort dazu. Das macht auf die Dauer krank.

Zu groß, zu viel, zu schnell. Das kann man sich merken. Und langsam aber sicher die Stellschrauben zurückdrehen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34807
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