Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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08FEB2022
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Die Liebe ist so etwas wie der Markenkern des Christentums. Jesus sagt: In der Liebe wird alles erfüllt, was es sonst an Bestimmungen und Geboten und Gesetzen gibt[1]. Nichts ist wichtiger als die Liebe zu Gott und zum Nächsten, sogar wenn er einem feindlich gesinnt ist. Will man genauer wissen, was Liebe ist, findet man eine präzise Auskunft beim Apostel Paulus. Im sogenannten Hohelied der Liebe, das er an die junge Christengemeinde in Korinth geschrieben hat.Er nimmt dabei kein Blatt vor den Mund, wenn er sagt: Reden kann man viel, aber wenn unser Reden nicht von Liebe bestimmt ist, dann ergibt das keinen schönen Ton. Liebloses Gerede ist Krach. Davon gibt es viel, leider auch in der Kirche: Geschwätz, Beteuerungen ohne ernste Absicht, große Abhandlungen, die Bände füllen, aber dem Menschen nicht guttun, weil sie nicht von Liebe bestimmt sind. Weiter sagt Paulus: Wo einer Schaum vor dem Mund hat, und immer nur daran denkt, er könnte zu kurz kommen, da fehlt es an Liebe. Und noch ein Kriterium der Liebe nennt er: Wer zuerst an sich denkt, nur sich selbst verwirklichen will, womöglich auf Kosten anderer, wo einer nachtragend ist und nicht verzeihen kann, da kann man sich nicht auf Jesus berufen. Das ist der Maßstab für alle, die zu ihm gehören, die Kirche sind. Zuvorderst die, die in ihr das Sagen haben.

Aber wie von der Liebe sprechen angesichts der Pervertierung, die die Liebe in unserer Kirche erfährt. Da gibt es welche, die sich lieben; aber sie sollen es nicht, weil sie das gleiche Geschlecht haben oder schon einmal gescheitert sind. Und die besonders auf Liebe angewiesen sind: Kinder, junge Menschen, die uns anvertraut sind? Über sie wird Macht ausgeübt, sie werden Opfer von Gewalt. Als liebevolle Zuneigung verpackt werden ihnen die sexuellen Bedürfnisse derer aufgezwungen, denen sie vertraut haben.

Der Missbrauchsskandal lässt einem das Wort „Liebe“ im Mund verdorren, so dass es wie ein Gestammel herauskommt. Ich weiß jedenfalls manchmal nicht mehr, wie ich vom Schönen und Guten sprechen soll. Ich bin erschüttert. Ich schäme mich. Und kann doch auch nicht loslassen von diesem schönsten Gedanken der christlichen Theologie: Dass Gott die Liebe ist. Und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott. Und Gott in ihm[2].

 

[1] vgl. Matthäus 22,36-40

[2] 1 Johannes 4,16b

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34806
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