SWR4 Abendgedanken

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31JAN2022
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Manchmal bin ich richtig frustriert. Denn was hatte ich im letzten Jahr Hoffnung! Als es geheißen hat: noch ein Wellenbrecher-Lockdown, dann sind wir über den Berg. Oder: Sobald die Impfung kommt, kehrt die Normalität zurück. So oft hatte ich gehofft und immer wieder war das alles doch nicht die Lösung.

Auch in diesem Jahr kommt es mir so vor, als ob es mit Corona kein Ende nimmt. Wie ein endloser Hürdenlauf, bei dem nach jeder geschafften Runde eine neue Runde kommt, die man noch schneller laufen muss.

Und ist das ohne Corona überhaupt anders? Klimakrise, Spaltung, Hass und der Hunger weltweit – wie soll ich bei all diesen Unheilsmeldungen bloß meine Hoffnung bewahren?

Ich suche ein Mittel gegen meine Hoffnungslosigkeit und stoße dabei auf Paulus, einen Christen der ersten Stunde. Für mich ist dieser Apostel ein echter Hoffnungsexperte.  Denn etwa 20 Jahre nachdem Jesus gestorben ist verbreitet Paulus die christliche Botschaft in einer Welt, in der die meisten von diesem Jesus noch nie gehört haben. Eigentlich ein unmögliches Unterfangen. Berücksichtig man dann aber noch die Umstände, erscheint das Ganze völlig hoffnungslos: Denn die ersten Christen mussten mit Verfolgung und Strafe, ja sogar dem Tod rechnen.

Und so ist Paulus dann auch gleich mehrmals im Gefängnis gelandet. Aber von dort hat er Briefe verschickt, in denen er seine Freunde ermutigt und ihnen Hoffnung macht. Weil Paulus fest an Jesus geglaubt hat, hat er die Hoffnung nie aufgegeben. Er hat gehofft, dass Jesus wiederkommt. Aber auch das passierte nicht.

In dieser hoffnungslosen Situation schreibt Paulus folgenden Satz: „Wir sind gerettet, doch in der Hoffnung. Hoffnung aber, die man schon erfüllt sieht, ist keine Hoffnung.“[1]

Was beim ersten Hinhören vielleicht kryptisch kling, ergibt näher betrachtet sehr viel Sinn. Wenn ich darauf hoffe, dass die Krise, die ich gerade erlebe, endlich vorbei geht, ist sie noch nicht vorbei. Wenn sie aber überstanden ist, brauche ich auch nicht mehr darauf zu hoffen. Gerade wenn es also gar nicht gut aussieht, ist das kein Grund, die Hoffnung aufzugeben, sondern ganz im Gegenteil: dann ist es umso wichtiger, dass ich noch hoffen kann. Bei Paulus lerne ich: „Jetzt erst recht!“

Eine so verstandene Hoffnung kommt mir fast wie eine Immunisierung gegen viele Krisen der Welt vor. Denn auch wenn es schlimm steht, kann meine Hoffnung stark sein.

Das hoffe es zumindest.

 

[1] Röm 8,24

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34777
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