SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

01FEB2022
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Ein gemütliches Abendessen mit Freunden. Die Teller sind leer, die Gläser voll. Wir reden, lachen und genießen den gemeinsamen Abend. Alles ist perfekt.

Bis er plötzlich wieder auftaucht. Zack! Ein kurzer Griff in die Tasche und da ist er: Der unvermeidliche Störenfried – mein Smarthphone. Nur mal kurz rausgeholt ist es jetzt in meinen Händen und ich starre auf den kleinen Bildschirm. Wie unhöflich gegenüber meinen Freunden!

Leider passiert mir das immer öfter, sogar dann, wenn ich es gerade richtig schön mit anderen zusammen habe.

Und ganz ehrlich, das meiste, was ich in solchen Momenten auf meinem Handy nachschaue, ist unwichtig: Da lese ich Nachrichten, die ich gleich wieder vergesse. Oder ich schaue mir übermäßig bearbeitete Fotos an und Infos, von denen ich gar nicht weiß, ob sie stimmen. 

Woher ich das weiß? Weil ich alles, was auf meinem Handy ankommt, mal kräftig durchgesiebt habe. Und zwar mit den sogenannten „drei Sieben des Sokrates“.

Die Geschichte aus der Antike geht so: Der Philosoph Sokrates wird von einem seiner Schüler angesprochen, der ihm unbedingt etwas erzählen möchte. Der Schüler beginnt: „Kannst du dir vorstellen, was der wieder gemacht hat?“ Sokrates unterbricht ihn und fragt: „Ist es gut, was du mir über deinen Freund zu sagen hast?“ Der Schüler antwortet: „Nein“. Dann fragt Sokrates: „Ist es sicher wahr, was du zu sagen hast?“ Der Schüler antwortet wieder: „Nein“. Also will Sokrates wissen: „Ist es notwendig, dass ich davon weiß?“ Ganz zerknirscht sagt der Schüler wieder: „Nein, auch das nicht.“ „Na dann“, fragt Sokrates, „warum soll ich überhaupt davon erfahren?“ 

Die Grundidee ist also: Wenn etwas weder gut ist, noch notwendig für mich zu wissen und auch nicht wahr, dann sollte ich am besten auch keine Energie darauf verschwenden.

Wenn ich die drei Siebe von Sokrates aber nun auf die Infos aus meinem Smartphone anwende, dann bleibt ehrlich gesagt nicht viel übrig.

Da lohnt es sich viel mehr, dass ich mich nicht von meinen Freunden ablenken lasse und eine entspannte Zeit mit ihnen verbringe. Und mein Handy bleibt in der Tasche.

Einmal hole es aber dann doch heraus. Und zwar um ein Foto von uns allen zu machen. Eine Momentaufnahme von unserer Freundschaft, die ich auf meinem Handy speichern kann. Denn das ist das Tolle an den drei Sieben des Sokrates: Wenn ich alles kräftig durchgesiebt habe, dann bleibt am Ende etwas richtig Schönes übrig: Das, was wahr und für mich gut und notwendig ist.

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