Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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02FEB2022
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Weihnachten ist lange vorbei. Allerdings: In manchen Gegenden, in manchen Häusern, werden erst heute der Christbaum und die Krippe abgebaut. Lichtmess heißt der Tag in der katholischen Tradition. Die Weihnachtslichter verschwinden endgültig bis zum nächsten Jahr – und trotzdem, oder gerade deshalb, geht es an diesem Festtag ums Licht. Nach alter Tradition werden in katholischen Kirchen die Kerzen für das kommende Jahr geweiht. Und auch in der evangelischen Kirche wird am 2. Februar an eine biblische Geschichte erzählt, in der das Licht eine Rolle spielt:

Als Säugling wird Jesus von seinen Eltern nach Jerusalem in den Tempel gebracht – so erzählt das Lukasevangelium. Im Tempel trifft die Familie zwei alte Leute: Simeon und Hanna. Beide sind ganz bewegt, als sie das Baby sehen. Der alte Simeon nimmt den kleinen Jesus auf den Arm und lobt Gott: Jetzt, sagt er, kann ich in Frieden sterben. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen: Von dir kommt Rettung. Ein Licht, das für alle leuchtet. (vgl. Lukas 2,29ff)

Eine berührende Szene ist das: Die beiden alten Leute, der Mann mit dem Säugling auf dem Arm – und ihr Gefühl: Jetzt wird alles gut. Jetzt kann ich beruhigt sterben.

Was mich daran besonders beeindruckt: Simeon und Hanna sehen das Licht. Obwohl sie nur einen Säugling vor sich haben – einen wie viele andere, die jeden Tag von ihren Eltern in den Tempel gebracht werden.

Aber für sie ist genau dieses Kind, das Simeon im Arm hält, ein Lichtblick. Ein Grund zur Hoffnung. Sie sehen in ihm ein Zeichen, dass Gott sie und die Welt nicht vergessen hat. Dass die Not der Armen, die politische Unterdrückung, die sie erleben, nicht unausweichlich sind. Dass Rettung möglich ist. Und es sich lohnt, sich einsetzen für andere.

Das Licht zu sehen, auch wenn es unscheinbar ist – das möchte ich von Hanna lernen, und von Simeon, der seinen Frieden gefunden hat. Wie sie möchte ich Augen haben für die Lichtblicke, die mir im Alltag begegnen: Wenn ich von einer richtig guten Idee höre. Wenn ich mit jemandem herzlich lachen kann. Oder wenn ich, wie Simeon und Hanna, ein neugeborenes Kind sehe – und in ihm die Botschaft, dass Gott sein Vertrauen in die Menschheit noch nicht verloren hat

Wenn ich Augen habe für die alltäglichen Lichtblicke, dann kann die Weihnachtsbeleuchtung getrost wegpackt werden, heute, am Lichtmess-Tag. Das Weihnachtslicht bleibt – das ganze Jahr. Mal sehen, wo ich es heute entdecken kann.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34752
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