Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

27JAN2022
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Erinnerungen aus dunkler Vergangenheit. Der Titel eines Buches. Es enthält Zeichnungen von Ella Liebermann-Shiber. Ich gehöre zu den Jahrgängen, bei denen die Lehrer einen Bogen um die Geschichte des dritten Reiches gemacht haben. Vielleicht aus der Angst, wir könnten sie als Schüler fragen, welche Rolle sie selbst in dieser Zeit gespielt haben. Deswegen habe ich immer wieder nach Informationen gesucht und bin auf Ella Liebermann-Shiber gestoßen und ich habe mich mit ihr und ihren Bildern beschäftigt. Sie hat sie mit 17 Jahren noch im Streifenkleid und mit schwachen Händen und zitternden Knien angefertigt.

1927 ist sie in Berlin in einer jüdischen Familie geboren worden. Bereits als sechsjähriges Kind hat sie die ersten Schikanen erlebt. Monate im Versteck, im Ghetto, Deportation nach Auschwitz, auf dem Todesmarsch - ein langer Kampf ums Überleben.

77 Jahre ist es heute her, die Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau am 27. Januar 1945. Deshalb ist heute der Holocaust-Gedenktag, er ist 2005 von den Vereinten Nationen ins Leben gerufen worden.

Das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau ist das größte Vernichtungslager während des Nationalsozialismus gewesen. Etwa 1,1 Millionen Menschen sind dort ermordet worden. Insgesamt sind es fast 6 Millionen Menschen gewesen, die dem Holocaust zum Opfer fielen.

Ella Liebermann-Shiber ist am 27. Januar ´45 in Auschwitz befreit worden. Sie hat ihre schrecklichen Erlebnisse mit 93 Zeichnungen verarbeitet, zu denen sie ihre Geschichte erzählt.

Besonders beeindruckt haben mich dabei diese Sätze: „Ich zeichnete, ich porträtierte ihre Gesichter, diese mörderisch kalten Augen. Ich malte ihre Familienmitglieder, ihre Frauen, ihre Kinder. Sie hatten Frauen und Kinder daheim und mordeten Frauen und Kinder anderer Menschen in fremden Ländern.“ Für mich wird in diesen Worten die ganze Grausamkeit deutlich, die im dritten Reich passiert ist. Die absolute Verrohung der Menschen.

Was mich erschreckt ist, dass Menschen heute wieder gewaltbereiter werden. Dass Flüchtlinge als Bedrohung angesehen werden, die nur eine neue, sichere Heimat suchen. Viele scheinen nichts mehr dabei zu empfinden, wenn diese im Mittelmeer untergehen und sterben. Die Verrohung scheint schon wieder in vollem Gang zu sein. Gerade auch deshalb finde ich diesen Tag des Gedenkens sehr notwendig. Damit nicht mehr so Schreckliches geschieht, wie damals. Nie mehr wieder.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34739
weiterlesen...