Anstöße sonn- und feiertags

Anstöße sonn- und feiertags

23JAN2022
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

„Wenn der Wind des Wandels bläst, bauen die einen Mauern – die anderen Windmühlen.“ Seit vielen Jahren begleitet mich dieses chinesische Sprichwort. Ich habe es das erste Mal im Lehrerzimmer einer kleinen Grundschule im Schwarzwald gelesen. Dort bin ich als Religionslehrer tätig. Die frühere Rektorin hat es aufgehängt, als sie ihren Dienst dort begonnen hat.

Mich hat dieses Wort angesprochen und es lässt mich nicht mehr los. Auf unserer Erde ist doch nichts so beständig wie der Wandel. Allein schon die Jahreszeiten wandeln sich ständig. Auch heute wird sich bestimmt etwas wandeln in unserer Welt und es kommt darauf an, wie ich damit umgehe.

Viele neue Ideen werden jeden Tag geboren. Und fast jede braucht Menschen, die sie gut finden, sie bekannt machen. Macher, die hinter der Idee stehen und mit ihrer Kraft helfen, sie Wirklichkeit werden zu lassen. Ohne diese begeisterten Menschen, die sehen, dass der Wind des Wandels bläst und eine Windmühle bauen, bleibt die Idee kraftlos und schwach. Mit ihnen aber geht es voran.

Ohne diese Menschen, die Ideen unterstützt haben, hätten wir keinen freien Sonntag, kein elektrisches Licht, keine Autos und Flugzeuge, auch kein Radio. Es hätte keine Demokratie gegeben bei uns, und auch meine alt-katholische Kirche gäbe es nicht, wenn nicht viele sich mit aller Kraft dafür eingesetzt hätten. Und bei uns würden bis heute keine Frauen zu Priestern geweiht, wenn uns bei der Synode 1994 der Mut zur Entscheidung gefehlt hätte. Und seit eineinhalb Jahren haben wir mit Anja Goller die erste Generalvikarin in Deutschland, die ständige Vertreterin des Bischofs.

Die tägliche Realität zeigt aber auch, dass es bei jeder guten Idee Menschen gibt, die sie ausbremsen, die alles dafür tun, diese Idee nicht Wirklichkeit werden zu lassen, die Mauern aufbauen. In den Köpfen, in den Herzen, manchmal auch mit Steinen. Hinter diesen Mauern geht dann gar nichts mehr, es bleibt alles, wie es ist.

Typische Worte, die hinter den Mauern hervorschallen, sind etwa: Das hat es ja noch nie gegeben, das haben wir alles schon probiert, das kann ja gar nicht gehen, wenn wir das machen, wird alles zusammenbrechen.

Diese Bedenken hat es auch bei der Synode 1994 gegeben. Aber die große Mehrheit der Synodalen hat damalsgespürt, dass es Zeit war, Windmühlen zu bauen und den Weg zur vollen Gleichberechtigung der Frauen auch in meiner alt-katholischen Kirche frei zu machen.

Nur durch Windmühlenmenschen geht es mit Kraft vorwärts, mit ihnen kann sich vieles wandeln, in mir, in meiner Kirche, in unserer Gesellschaft.

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34736
weiterlesen...