SWR2 Wort zum Tag

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21JAN2022
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Haben Sie schon einmal von einem religiösen Fest namens Timkat gehört? Es wird gerade in Äthiopien gefeiert. Drei Tage lang begehen die äthiopischen Christen dieses höchste religiöse Fest, das dort wichtiger ist als Weihnachten. Es hat auch den gleichen theologischen Sinn wie Weihnachten: Epiphanie, die Erscheinung Gottes unter uns Menschen. Vor allem geht es darum, dass Christus unter uns Menschen gekommen ist und dies wird durch die Erinnerung seiner Taufe im Jordan gefeiert. Viele tausenden Menschen feiern ausgelassen dieses farbenfrohe Fest mit Prozessionen, Tänzen und Gesang.

Als ich es selbst in Äthiopien erleben durfte, war ich tief beeindruckt wie aus allen Richtungen in weiße Gewänder gekleidete Menschen zusammenkommen und dabei singen, tanzen und trommeln. Die Feierlichkeiten beginnen mit einer Prozession zu einem Gewässer. Den weiß gekleideten Gläubigen folgen Priester in bunten Gewändern unter bunten Schirmen. Sie tragen Nachbildungen der „Tabot“, der Steintafeln Mose mit den zehn Geboten auf ihren Köpfen und bringen sie zum Wasser. Bei der heiligen Messe wird das Wasser gesegnet und danach springen viele Menschen hinein, um ihren Taufsegen zu erneuern. Ein Fest voller Glaube, Verbundenheit und Lebensfreude und im ganzen Land sind die Straßen festlich in Grün, Rot und Gelb, den Farben Äthiopiens, geschmückt.

Doch dieses Jahr ist gleichzeitig auch alles anders. Es herrscht Krieg in Äthiopien und in einem Teil des Landes kommt sicher wenig Freude am Timkat-Fest auf. Dieser Teil heißt Tigray und möchte sich von der Zentralregierung lossagen. Dadurch ist ein furchtbarer Konflikt entstanden, in dem sich beide Seiten schlimmer Menschenrechtsverletzungen und Gräuel schuldig gemacht haben. Versöhnung scheint in weite Ferne gerückt und Frieden eine Illusion im Land, in dem der Präsident noch 2018 den Friedensnobelpreis erhielt. Der Tigray-Konflikt ist ein furchtbares Beispiel, wozu es führen kann, wenn Menschen sich in ihren Identitäten verschanzen und bereit sind für die Zugehörigkeit zu ihrem Volk oder ihrer Volksgruppe jede Aggression herauszulassen. Der Konflikt in Ex-Jugoslawien steht uns vielleicht noch vor Augen. Er war und ist uns näher als der hierzulande kaum bekannte Konflikt um Tigray. Doch am Balkan führten genau die gleichen Mechanismen zu Hass, Gewalt und Grausamkeit.

Ich hoffe und bete, dass der Sinn von Timkat dieses Jahr ganz besonders Wirklichkeit wird für die Menschen in Äthiopien und vor allem in Tigray. Gott kam zu uns Menschen, aber nicht um zu spalten und um Hass zu sähen, sondern um zu versöhnen und zu verbinden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34734
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