Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

22JAN2022
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Heute ist Samstag. Ich mag Samstage. Ich schlafe gerne etwas länger. Zum Frühstück gibt es Brötchen und mehr Zeit als unter der Woche. Und dann gehe ich auf den Markt. Ich kaufe Obst und Gemüse, Käse und Wurst. Und ich lasse mich treiben. Schaue mal hier und dann dort. Das ist schön

Manchmal treffe ich Bekannte und wir reden ein wenig. Auf dem Markt gelingt es mir geduldig zu sein, in der Schlange zu warten, bis ich dran bin. Hier renne ich nicht im Laufschritt von Stand zu Stand. Ich betrete den Markt und werde langsamer und oft bin ich glücklich. Und die Menschen, die mir auf dem Markt begegnen strahlen Ähnliches aus. Kinderlachen mischt sich mit Gesprächen.

Auf dem Markt gelingt es mir, was ich sonst nicht so gut kann: Ich bin im Moment. Oder wie der Mönch und Mystiker Meister Eckhart es vor einigen hundert Jahren geschrieben hat: „Die wichtigste Stunde ist immer die Gegenwart.“

Leicht gesagt: Wie oft bin ich sonst schon mit den Gedanken in der Zukunft. Wenn der Wecker klingelt, denke ich schon an das, was heute anliegt, wenn ich mich nachts mal wieder schlaflos herumwälze, denke ich an den nächsten Morgen und wie müde ich dann sein werde.

Dass ich auf dem Markt den Moment so genießen kann, liegt nicht nur am Ort. Vor allem liegt es aber an meiner Haltung. Ich gestehe mir diese Zeit zu. Ich erlaube es mir, mich treiben zu lassen. Ich erlaube es mir einzukaufen. Auf dem Markt erlaube ich es mir, nichts zu müssen.

Und dann passiert es, dass ich mit dem Mann am Blumenstand über Frankreich spreche, dass ich der Fischfrau zuhöre, wie lange ich die Salzheringe wässern muss, damit sie genießbar sind. Ich werde langsam und mein Herz wird weit, samstags auf dem Markt.

„Die wichtigste Stunde ist immer die Gegenwart.“ Gestehen Sie sich die zu! Das wünsche ich Ihnen heute am Samstag.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34665
weiterlesen...