Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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19JAN2022
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Heute macht mir das nichts mehr aus: Arm hinhalten, Spritze rein, und das war´s... - Aber Sie machen sich keine Vorstellung, wie das früher bei mir war. Es gab nämlich nichts, wovor ich mich so gefürchtet habe, wie vor Spritzen! Ganz gleich, ob es um eine Impfung ging, oder um eine Blutentnahme – wenn ich gewusst habe, dass so etwas bevorsteht, konnte ich Tagelang nicht mehr schlafen. Und wenn es dann schließlich so weit war - dann habe ich wie in Trance alles über mich ergehen lassen, nur um direkt danach umzukippen. Totaler Kollaps. Und zwar jedes Mal, darauf konnte man sich einhundertprozentig verlassen!  

Gut, das ist schon lange her. Aber ich habe es in düsterer Erinnerung. Denn neben all der Angst fühlt man sich auch ziemlich einsam und dumm, mit so einer Phobie.
„Wie kann man sich nur so anstellen, wegen so einer kleinen Nadel!“ Das hab ich oft gehört. Nur: die Angst lächerlich machen, das hilft kein bisschen. Es macht alles nur noch schlimmer. Aber was hilft dann?

Bei mir war`s so: Mit zwanzig habe ich ein Praktikum im Krankenhaus gemacht. Und da habe ich so viele Menschen gesehen, in denen Infusionsnadeln steckten, aus denen Infusionsnadeln rausgeholt oder in die Kanülen hineinge-stochen wurden – da ist mir gar nichts anderes übriggeblieben, als mich an den Anblick zu gewöhnen.

Und dabei ist mir auch klargeworden, dass der Pieks mit einer Nadel lange nicht das Schlimmste ist, was Menschen aushalten müssen. – Denn was ist das schon im Vergleich zu einer Operation? Und da war noch etwas, das ist mir aufgefallen: dass die Tapferkeit der Kranken oft mit der Schwere der Krankheit wächst. Und diese Tapferkeit, die hat mich so berührt - da ist sie irgendwie auf mich übergegangen. Und die Angst ist gewichen.
Man könnte also sagen: Die Kranken haben mich geheilt. Oder auch ganz einfach nur: das Hinsehen.

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